17.03.2005
Praxisnahes Lernen für angehende Ärzte
Neue interdisziplinäre Unterrichtsformen im Medizinstudium am Uniklinikum Jena erfolgreich umgesetzt
Neue Unterrichtsformen mit mehr praktischen Erfahrungen sind am Universitätsklinikum Jena erfolgreich in die Medizinausbildung eingeführt worden. Damit setzten die Thüringer im laufenden Studienjahr die Anforderungen der neuen Approbationsordnung für Ärzte um, die statt der Vermittlung von bloßem Fakten- und Detailwissen mehr patienten- und problemorientiertes Lernen einfordert. Die Jenaer haben dafür im letzten Semester erstmals neue fächerübergreifende Kurse eingeführt, in denen den angehenden Ärzten in kleinen Gruppen anhand praktischer Aufgaben eine ganzheitliche Sicht auf die Patienten vermittelt wird.
Damit verabschiedet sich nun auch das Medizinstudium zunehmend von der traditionellen Einteilung in Fachdisziplinen zugunsten einer übergreifenden Wissensvermittlung anhand ganz konkreter Probleme wie einzelner Patienten mit den jeweiligen Beschwerden. So werden am Klinikum die Erkrankungen von Nervenssystem und Psyche in einem gleichnamigen Kurs vorgestellt, der gemeinsam von den Neurologen, Psychiatern und Psychosomatikern mit großem Aufwand komplett neu gestaltet wurde. "In das interdisziplinär aufgebaute Lehrprogramm haben wir auch Disziplinen wie die Pathologie, Radiologie, Pharmakologie bis hin zur Physiotherapie einbezogen, um ein möglichst umfassendes Bild zu vermitteln," erläutert Prof. Dr. Stefan Isenmann, Kursorganisator an der Jenaer Uniklinik für Neurologie. Die wesentlichste Neuerung bestehe aber in der Unterrichtsform: Statt in großen Gruppen zu Vorlesungen und Praktika gehen jetzt die Studenten des vierten Studienjahres in kleinen Gruppen in das Tutorium und direkt ans Krankenbett.
"Bei einem 'Stationstag' lernen die Studenten dabei auch den Arbeitsablauf in den beteiligten Disziplinen hautnah kennen und betreuen hier im direkten Kontakt ihren 'Projektpatienten'", so Prof. Isenmann weiter. Die künftigen Mediziner erfragen dabei die Anamnese, also Krankengeschichte, nehmen Untersuchungen vor und stellen dann eine ausführliche Diagnose mit Therapievorschlägen. Isenmann: "Das ist ein großer Schritt, denn gerade dieser direkte menschliche Kontakt ist bisher im Medizinstudium stets zu kurz gekommen."
Neben dem "Lernen am Patientenbett" bieten aber auch die neu eingerichteten Problem-basierten Tutorien Gelegenheit, anhand aufwändig gestalteter "virtueller Fälle" eine Arzt-Patient-Situation zu simulieren und so die anspruchsvollen Problemstellungen von Patienten besser zu verstehen und Vorgehensweisen und Lösungen in der Gruppe zu erarbeiten.
Auch die neuen Konzepte können nicht ganz auf die klassischen Vorlesungen verzichten. Diese wurden allerdings gänzlich neu ausgerichtet: Statt der Wiedergabe von Lehrbuchinhalten werden hier jetzt am Beispiel von Patienten die typischen Leitsymptome vorgestellt und das praktische Vorgehen aus Sicht der einzelnen Disziplinen erklärt. So beteiligen sich beispielsweise an der Vorlesung zur Demenz die Neurologie, Psychiatrie und Pathologie und bringen jeweils ihre Sichtweise der Erkrankungen ein.
Um die Qualität und den Erfolg dieses neuen Angebots überprüfen zu können, wurde die Möglichkeit einer detaillierten Evaluation eingerichtet. Nach jeder Vorlesung, jedem Praktikum und Seminar können die Studierenden sofort ihre Meinung über die jeweilige Veranstaltung per Internetplattform mitteilen. Umgekehrt erhält der Ausbilder unmittelbar eine Rückmeldung über seine Veranstaltung und kann kurzfristig Verbesserungen vornehmen.
Die Feuertaufe im vergangenen Wintersemester hat das neue Angebot glänzend bestanden. "In den über 4000 detaillierten online-Bewertungen loben die Studierenden die Umsetzung des neuen Konzepts fast ausnahmslos," freut sich Kursorganisator Isenmann zusammen mit Dr. Joachimski, der diese Plattform eingerichtet hat. Dennoch wird bereits an weiteren Verbesserungen gearbeitet - so sollen im neuen Semester noch mehr praktische Bestandteile aufgenommen, die Zusammenarbeit der beteiligten Disziplinen weiter intensiviert und, vor allem, die Studierenden künftig schon in die Planung des Kurses eingebunden werden.
Ansprechpartner:
Prof. Dr. Stefan Isenmann
Klinik für Neurologie, Universitätsklinikum Jena
Tel:03641/9323410E-Mail:stefan.isenmann@med.uni-jena.de