25.11.2008
Die Renaissance des EEG
Der Experimentalpsychologe Prof. Dr. Stefan Debener erforscht den Ablauf von Denkprozessen
Stefan Debener piekst sich mit zwei Zirkelspitzen in den Handrücken, um eine seiner Fragestellungen zu illustrieren: "Wenn der Abstand der Spitzen klein genug ist, nehme ich nur noch einen Stich wahr. Die Unterscheidungsfähigkeit beim Fühlen lässt sich deutlich aber deutlich verbessern, wenn man auf den stimulierten Arm schaut, auch wenn man die Spitzen selbst dabei nicht sieht." Wie sich diese Beeinflussung des Sehens auf das taktile Empfinden anhand der dabei im Hirn ablaufenden Aktivierungsmuster erklären lässt, ist ein Forschungsthema von Debener und seinen Mitarbeitern. Der neu ernannte Professor für Computational Neuroscience vermutet, dass die Berücksichtigung anderer, nicht betroffener Sinne auch in der Rehabilitation sensorischer Ausfälle hilfreich sein kann.
Die Wissenschaftler müssen dem Gehirn quasi beim Arbeiten zuschauen können, um die zugrunde liegenden Prozesse zu verstehen. Diese Möglichkeit eröffnen moderne bildgebende Verfahren und Messmethoden, die im Biomagnetischen Zentrum an der Klinik für Neurologie des Universitätsklinikums zur Verfügung stehen und ständig weiter entwickelt werden. "Die Arbeitsbedingungen und Partner im Zentrum und die mit Hans Bergers Erfindung des Elektroenzephalogramms hier in Jena begründete Tradition stellen die besten Voraussetzungen für unsere Arbeit dar", schwärmt Debener. "Hier steht eines der modernsten Ganzkopf-MEG-Systeme der Welt. Damit können wir, ohne jede Nebenwirkungen für unsere Probanden und Patienten, Gehirnaktivität unter verschiedenen Bedingungen messen". Das sogenannte Magnetenzephalogramm (MEG) stellt dabei eine sehr leistungsfähige Ergänzung des älteren Elektroenzephalogramms (EEG) dar, das die elektrische Hirnaktivität erfasst.
MEG und EEG messen mit großer zeitlicher Genauigkeit, allerdings ist die räumliche Auflösung nur gering. Eine genauere Lokalisation der aktiven Hirnareale ermöglicht das Verfahren der funktionellen Magnetresonanztomografie (fMRT). Dieser Methode mangelt es jedoch an zeitlicher Präzision. "Durch die optimierte Auswertung von EEG und MEG können wir immer besser auf die aktiven Hirnregionen und ihre Wechselwirkungen schließen. Das klappt auch besser, weil wir diese Methoden seit einiger Zeit mit dem fMRT kombinieren können, und so die jeweiligen Vorteile nutzen. Wir befinden uns in einer Phase der Renaissance von MEG und EEG", sagt Professor Debener.
Prof. Dr. Stefan Debener
Der gebürtige Nordrhein-Westfale studierte Psychologie an der TU Berlin und promovierte in Dresden über im EEG erkennbare Muster der Anfälligkeit für Depressionen. Am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf erforschte er, wie Hirnareale miteinander kommunizieren, und arbeitete dann drei Jahre lang an einem Forschungsinstitut des Medical Research Council in Southampton, England, bevor es ihn zurück nach Deutschland zog. Vor wenigen Wochen kam er mit seiner Familie nach Jena.
Auf seinem Schreibtisch stapeln sich die Projektanträge für neue Forschungsvorhaben, die er vor allem zusammen mit Partnern aus Klinikum, Universität und der Region durchführen möchte. "Sicher, das ist Grundlagenforschung. Wir haben aber immer den möglichen Nutzen für die Patienten im Auge", sagt Debener, und nennt als Beispiel ein weiteres seiner aktuellen Forschungsthemen. Darin untersucht er, wie sich das Gehirn umorganisiert, wenn Menschen ihr Gehör verloren haben. Von der Art dieser Reorganisation in der Hörrinde, vermutet er, hängt ab, wie stark Patienten von einer Hörprothese, einem Cochlea-Implantat, profitieren können.
Kontakt:
Prof. Dr. Stefan Debener
Biomagnetisches Zentrum
Universitätsklinikum Jena
Tel.: 03641 / 9325770
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