16.10.2009
Generalisten der Kliniken
Interdisziplinäre Notfallaufnahmen fordern Facharztqualifikation für Notfallmediziner
Weimar/Jena. Auf der 4. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft Interdisziplinäre Notaufnahme (DGINA), die vom 14. bis 17. Oktober in Weimar stattfindet, diskutieren über 400 Teilnehmer aus ganz Deutschland die Verbesserung der Patientenversorgung in den medizinischen Notfallaufnahmen. Im Mittelpunkt steht dabei die Forderung der Fachgesellschaft nach der Etablierung eines Facharztes für Notfallmediziner.
Im europäischen Maßstab hat Deutschland in diesem Punkt Nachholbedarf, und die Übernahme der Schirmherrschaft des Kongresses durch den Präsidenten der European Society for Emergency Medicine EuSEM, Dr. Gunnar Öhlén, widerspiegelt die internationale Unterstützung für die deutschen Notfallmediziner. "Wir halten es für notwendig, dass alle europäischen Länder auf die Etablierung einer Facharztqualifikation für Notfallmedizin hinarbeiten", betont Öhlén. Im April 2008 stellte die DGINA den Antrag auf Einrichtung eines entsprechenden Facharztes bei der Bundesärztekammer.
Die Anforderungen an die Notfallaufnahmen in Deutschland werden immer größer. Ursachen dafür sind steigende Patientenzahlen, höheres Alter der Patienten und die sinkende Zahl der niedergelassenen Mediziner. "Die Ärzte in den Notaufnahmen der Kliniken müssen Generalisten sein", beschreibt Oberarzt Raik Schäfer die Anforderungen an seinen Beruf. Der Kongresspräsident leitet die zentrale Notaufnahme im Universitätsklinikum Jena, in der jährlich etwa 30.000 Notfälle versorgt werden. "Ich muss kein Spezialist für Herzkatheteruntersuchungen sein, aber ich muss den Patienten sicher und schnell erkennen, der eine solche Untersuchung braucht und dafür sorgen, dass er schnell ins Katheterlabor kommt", so Schäfer.
Meist wird die Tätigkeit in einer Notaufnahme als unattraktiv eingestuft, da neben der hohen Arbeits- und Stressbelastung weder Lehre noch Forschung möglich erscheinen. Hinzu kommen die Arbeitszeiten im Schichtsystem. Die Rufe nach einer effizienten und patientenorientierten Reorganisation der deutschen Notfallaufnahmen werden zu Recht lauter - gerade auch, weil in den vergangenen Jahren das Wissen um die effektive und effiziente Behandlung in medizinischen Notfällen stark angestiegen ist.
Deshalb bietet der Kongress ein breites Weiterbildungsprogramm. "Die Teilnehmer erweitern hier ihr Wissen und Können auf so wichtigen Gebieten wie der Zusammenarbeit von Notärzten und der Notaufnahme in der Klinik, der Notfallpflege, wirtschaftliche Aspekte der Notfallmedizin, Personal-, Entwicklung- und Qualitätsmanagement", umreißt Dr. Barbara Hogan, Präsidentin der DGINA, das Tagungsprogramm. Behandelt werden auch juristische Fragestellungen und notfallmedizinische Großeinsätze. Unter anderen berichtet Dr. Heidi Cordi vom Columbia Presbyterian Medical Center aus New York von den Erfahrungen nach dem Terroranschlag am 11. September 2001. Der Mediziner und Jurist Dr. Helge Hölzer, Rechtsanwalt in Sindelfingen, wird anhand von Beispielen über juristische Fallstricke in der Zentralen Notfallaufnahme referieren. Das wichtige Thema Dekontamination bei hochansteckenden Viren spielt bei Prof. Dr. Tareg Bey (USA) eine Rolle. Beispiel ist die Sarin-Attacke in Tokio 1995.
Der Herausforderung Notaufnahme müssen sich nicht nur an die Ärzte, auch das Pflegepersonal stellen. "Wir wollen allen Beteiligten ein Fachforum schaffen", so Wolfgang Droste, Vorstandmitglied der DGINA und Pflegedienstleiter im Klinikum Niederberg. "Deshalb beschäftigen wir uns auf dem Kongress auch mit Themen wie der pflegerischen Ersteinschätzung, der Fachweiterbildung Notfallpflege, dem Notfallmanagement, Anforderungsprofil und Professionen in der Notaufnahme und dem Bettenmanagement."
Ein Großteil der etwa 2000 deutschen Krankenhäuser verfügt schon über eine interdisziplinäre Notaufnahme. "Unser Ziel ist es, für die Notfallversorgung aller Patienten in Deutschland ein qualitativ höchstes Niveau durch zunehmende Professionalisierung im ärztlichen und pflegerischen Bereich zu erreichen", so die Präsidentin der DGINA, Dr. Barbara Hogan.
Kontakt:
Oberarzt Raik Schäfer
Universitätsklinikum Jena, Zentrale Notfallaufnahme
Tel. 03641/9322001
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