27.07.2010
Medizinstudenten gehen auf Zeitreise
Im Geriatrie-Seminar am Universitätsklinikum Jena „altern“ die Studenten künstlich
Jenaer Medizinstudenten versuchen im Geriatrie-Seminar von Dr. Anja Kwetkat mit dem Alters-Simulations-Set Tabletten zu teilen. Foto: H.-G. Schröder/UKJ
Jena. Der Rücken ist krumm, die Knie sind steif, und die dicke Brille lässt gerade hell und dunkel erahnen: Markus Engelmann, Medizinstudent in Jena, eigentlich 24 Jahre alt, fühlt sich wie 80. Prompt wird ihm das offene Fenster fast zum Verhängnis, auf den angebotenen Stuhl kann sich der künstlich gealterte junge Mann nicht setzen, sondern nur plumpsen lassen.
"Ich habe mich schon sehr hilflos gefühlt", beschreibt der angehende Mediziner sein Erlebnis mit dem Alters-Simulations-Set. Die damit erzeugte künstliche Alterung, auch "Instant Aging" genannt, ist Teil des Lehrprogramms im Fach Geriatrie am Universitätsklinikum Jena. Studentinnen und Studenten erleben dabei mit Hilfe von Bandagen an Händen, Knien und Ellenbogen, Gewichten an den Füßen, einem Rückenpanzer und einer Katarakt-Brille, was es bedeutet, im Alter mit gesundheitlichen Einschränkungen leben zu müssen.
Ziel der praktischen Übungsstunde ist es, den Studenten ein Gefühl dafür zu vermitteln, mit welchen Problemen ihre Patienten im Alter zu kämpfen haben. "Vieles, was für einen jungen Erwachsenen selbstverständlich ist, ist es bei alten Menschen eben nicht. Das müssen angehende Ärzte wissen, damit sie sich besser in die große Gruppe der älteren Patienten hineinversetzen können", erklärt Dr. Anja Kwetkat, Chefärztin der Geriatrie am UKJ, die Idee hinter ihrem "praktischen" Geriatrie-Unterricht. "Ein Arzt sollte sich bei einem alten Menschen nicht nur die Frage stellen: Welches Medikament braucht der Patient, sondern auch: Wie kommt er da ran?", so Dr. Kwetkat. Daher müssen die "gealterten" Studenten im Seminar nicht nur versuchen, im "Wartezimmer Platz zu nehmen", sondern auch Medikamente auspacken und Tropfen dosieren.
"Hier zeigen sich dann die Auswirkungen der eingeschränkten Beweglichkeit - die Tablette löst sich nicht aus dem Blister oder lässt sich nicht teilen. Und die Tropfen landen überall, nur nicht im Glas", beschreibt Dr. Kwetkat die zu beobachtenden Probleme.
"Ich wusste nicht, wie viele Tropfen ich da letztlich genommen hätte", bestätigt auch Markus Engelmann nach dem Selbstversuch. Jetzt sieht er das Alter mit anderen Augen: "Bei älteren Patienten braucht man als Arzt eine komplett andere Herangehensweise", so Engelmann.
Das kann Dr. Anja Kwetkat nur bestätigen. Daher sei die Vermittlung des Wissens um die Bedeutung der Funktionseinschränkungen in der Geriatrie ein zentraler Bestandteil nicht nur der Lehre. "Wir schulen auch alle neuen Mitarbeiter mit dem Alters-Simulations-Set, einschließlich unseres gesamten Pflegeteams in der Klinik für Geriatrie", sagt Dr. Kwetkat.
Für die nächsten Studenten geht es erst im kommenden Sommersemester wieder auf Zeitreise, wenn es im Geriatrie-Seminar nach Anlegen des Alters -Simulations-Sets wieder heißt: "Nehmen Sie doch schon mal da drüben Platz!"
Kontakt:
Dr. Anja Kwetkat
Chefärztin der Klinik für Geriatrie am Universitätsklinikum Jena
Tel. 03641/ 93 49 01
E-Mail: