21.06.2012
Narben in der Niere
Wissenschaftler des Universitätsklinikums Jena erforschen Gewebeumbildung in der Niere bei Diabetes
In einem von der Europäischen Stiftung für Diabetesforschung geförderten Projekt untersuchen Wissenschaftler des Uniklinikums Jena die Grundlagen von Gewebeveränderungen in der Niere bei Diabetes. Im Mittelpunkt ihres Interesses steht dabei ein Kollagen, das in der Umbildung und Wanderung von hochspezifischen Zellen der Nierenkanälchen zu Bindegewebszellen eine wesentliche Rolle spielt. Dieser Mechanismus läuft ähnlich ab wie die Zelldifferenzierung bei der Embryonalentwicklung oder die Bildung von Tumormetastasen.
Für etwa ein Drittel der Dialysepatienten in Deutschland ist das Versagen der Nierenfunktion eine Folge der Diabeteserkrankung. Bei dieser diabetischen Nephropathie vernarben nach und nach die Nierenkörperchen, bis deren Filterfunktion schließlich völlig verloren geht. „Wenn sich die Nierenschädigung im Urin nachweisen lässt, gab es häufig schon weitere Folgeschäden und wir können nur noch versuchen, die restliche Nierenfunktion zu erhalten“, so Professor Gunter Wolf, Direktor der Klinik für Innere Medizin III am Uniklinikum Jena.
Kollagen vom Typ VIII im Visier der Forscher
Auf der Suche nach frühen Hinweisen für eine Nephropathie werden die Details des Gewebeumbildungsprozesses in der Niere erforscht. „Wir verstehen erst in Ansätzen, welche Rolle die dabei beteiligten Zellen, Stoffwechselprodukte und Botenstoffe im einzelnen spielen“, beschreibt Dr. Ivonne Löffler die Komplexität des Prozesses. Einen der Mitspieler hat die Biologin vom nephrologischen Forschungslabor der Klinik jetzt ins Visier gefasst: Kollagen vom Typ VIII, einer von insgesamt 28 beim Menschen vorkommenden Typen des Strukturproteins. In einem einjährigen Forschungsprojekt, das von der Europäischen Stiftung für Diabetesforschung mit 100.000 Euro unterstützt wird, will Ivonne Löffler die Rolle dieses Kollagens in der diabetischen Nephropathie genauer untersuchen.
„Wir wissen, dass Kollagen VIII bei Diabetes im Nierengewebe vermehrt produziert wird. Bei Mäusen, die das Kollagen nicht produzieren können, ist die diabetische Nierenschädigung weit geringer ausgeprägt als bei Mäusen mit Kollagen VIII“, verweist sie auf eigene Vorarbeiten. Und das Kollagen ist ihr Hauptverdächtiger für einen höchst interessanten Mechanismus der Nierengewebsschädigung: Spezifische Zellen der Nierenkanälchen, in denen der Urin aufbereitet wird, lösen sich aus dem Zellverband, wandern ins Bindegewebe und formen sich zu Bindegewebszellen um. Solche Umbildungsprozesse finden bei der Zelldifferenzierung in der Embryonalentwicklung und der Bildung von Metastasen statt - dass sie auch bei Nierenerkrankungen ablaufen, ist erst seit einigen Jahren bekannt.
Molekulare Spurensuche
Sowohl in Zellkulturen als auch für Mäuse ohne das Kollagen-VIII-Gen und für normale Mäuse werden die Jenaer Wissenschaftler diese Zelltransformation anhand ihrer molekularen Spuren verfolgen. „Wir erfassen jeweils die für die einzelnen Etappen spezifischen Markerproteine wie Adhäsionsmoleküle, Signalproteine und Wachstumsfaktoren“, fasst Ivonne Löffler das Arbeitsprogramm zusammen. „So können wir überprüfen, ob Kollagen VIII wirklich ein Auslöser der Zellumbildung ist.“ Wenn sich dieser Verdacht bestätigt, wollen die Biomediziner auch den zugrunde liegenden molekularen Mechanismus aufklären. Damit verschaffen sich die Wissenschaftler Einblicke in Abläufe der diabetischen Nephropathie, lange bevor die Eiweißwerte im Urin erhöht und die Nierenkörperchen vernarbt sind.
Kontakt:
Dr. Ivonne Löffler
Klinik für Innere Medizin III, Universitätsklinikum Jena
Telefon: 03641/9-32 46 30
E-Mail: Ivonne.Loeffler@med.uni-jena.de