06.03.2013
UKJ-Rheumatologen an Vaskulitis-Neuklassifikation beteiligt
Einheitliche Klassifikations- und Diagnosekriterien sollen Behandlung und Erforschung der seltenen Gefäßentzündungen verbessern
(UKJ/vdG) Kaum ein Organ oder Gewebe, das nicht zur Zielscheibe einer der etwa 60 bekannten Autoimmunerkrankungen werden kann. Wendet sich die körpereigene Abwehr gegen Arterien, Venen oder Kapillaren und schädigt in der Folge auch die versorgten Organe, so nennt der Arzt eine solche chronische Gefäßentzündung Vaskulitis und unterscheidet je nach Größe der betroffenen Gefäße Klein-, Mittel oder Großgefäßvaskulitiden. Häufig ist es für Patienten allerdings ein weiter und zeitraubender Weg bis zur Diagnose. Weil von den Gefäßveränderungen nahezu alle Organe betroffen sein können, sind die Symptome so vielfältig und unspezifisch, dass eine Vaskulitis nur schwer zu diagnostizieren ist. Noch dazu sind diese Gefäßentzündungen mit jährlich etwa 4000 Neuerkrankungen in Deutschland sehr selten.
„Manchmal kommen die Patienten erst nach einer monatelangen Odyssee zu uns“, so Dr. Thomas Neumann, der die Vaskulitissprechstunde am Universitätsklinikum Jena (UKJ) leitet. Etwa 300 Patienten betreuen die Rheumatologen der Klinik für Innere Medizin III mit ihrem spezialisierten Angebot, einem von nur wenigen in Deutschland. Mit einer umfassenden Diagnostik wird zunächst abgeklärt, ob und um welche Form von Vaskulitis es sich handelt. Neben der eingehenden klinischen Untersuchung gehören dazu Tests des peripheren Nervensystems, das durch den Verschluss kleinster Gefäße beeinträchtigt wird.
Strukturierte Befunde für eine genaue Diagnose
Dazu zählen elektrophysiologische Tests der Neurologen, Untersuchungen von Hör- und Geruchssinn beim HNO-Spezialisten, Funktionstests von Lunge, Niere, Augen. Radiologen und Nuklearmediziner können mit MRT und PET Veränderungen an mittleren und großen Gefäßen sichtbar machen. Thomas Neumann: „Unsere eingespielte interdisziplinäre Zusammenarbeit und strukturierte Befunde ermöglichen uns eine sichere Abgrenzung von anderen Erkrankungen und die genaue Diagnose der Vaskulitis.“
Ihre Erfahrung bringen die Jenaer Rheumatologen jetzt in einer internationalen Studie zur Neuformulierung einheitlicher Klassifikations- und Diagnosekriterien für Vaskulitis ein. Als eines von weltweit 84 Studienzentren erfasst das Jenaer Vaskulitiszentrum derzeit Daten, die in einen Kriterienkatalog für die Diagnose und Klassifkation der Vaskulitiden einfließen werden. „Dieser Katalog soll dem Hausarzt oder Internisten eine mögliche Vaskulitis erkennen helfen und in den spezialisierten Zentren die detaillierte Diagnose erleichtern“, betont Oberarzt Neumann. „Das Hauptziel dabei ist die schnelle Einleitung der Therapie, um bleibende Organschäden zu vermeiden.“
Die Behandlung zielt zunächst auf die Eindämmung der akuten Autoimmunreaktion. Sind die Entzündungszeichen abgeklungen, gilt es, die Besserung langfristig aufrecht zu erhalten und Rückfälle zu vermeiden. „Uns stehen eine Reihe von Medikamenten zur Verfügung, so dass die meisten unserer Patienten nach der Induktionstherapie und mit regelmäßigen Kontrollen ein ganz normales Leben führen können“, so Thomas Neumann, „für die Vaskulitis-Behandlung zugelassene Wirkstoffe gibt es allerdings bisher nicht.“
Klassifikations- und Diagnosekriterien erleichtern künftige Studien
Deshalb arbeitet das Jenaer Zentrum auch in Therapiestudien mit. Aktuell beteiligt es sich an drei Studien, die eine verbesserte Behandlung von Klein- bzw. Großgefäßvaskulitis zum Ziel haben. Der derzeit entstehende Kriterienkatalog wird auch künftigen Studien zugute kommen, weil er die exakte Zuordnung zu den Erkrankungsgruppen erleichtern wird.
Über die Hälfte der angestrebten 3500 Patienten sind weltweit in der Klassifikationsstudie schon erfasst, 70 davon werden von den Jenaer Vaskulitis-Experten betreut. In etwa einem Jahr sollen die einheitlichen Klassifikations- und Diagnosekriterien für Vaskulitis dann vorliegen. „Sie werden die Behandlung dieser seltenen Erkrankungen, die unbedingt in spezialisierten Zentren erfolgen sollte, verbessern, und die nur im internationalen Verbund mögliche weitere klinische Erforschung der Vaskulitis vorantreiben“, ist sich Thomas Neumann sicher.