08.10.2013
Zugang zur Welt der Klänge
Vor 20 Jahren: Erste Cochlea-Implantation in Jenaer HNO-Klinik
Jena (ukj/as). Sie ist wie eine Eintrittskarte in die Welt der Klänge: Eine dünne Elektrode, die in die Hörschnecke eines ertaubten Menschen geschoben wird. Genau 20 Jahre ist es her, dass in der Jenaer Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde am Universitätsklinikum Jena (UKJ) einem Patienten erstmals ein solches Cochlea-Implantat eingesetzt wurde - auf Initiative des damaligen Direktors Prof. Eggert Beleites, dessen Arbeit heute Prof. Orlando Guntinas-Lichius und Prof. Sven Koscielny fortführen.
Das Cochlea-Implantat hilft Kindern, die taub auf die Welt kommen - in Deutschland betrifft das etwa jedes 1000. Neugeborene. Weil heutzutage flächendeckend Hörtests für Säuglinge angeboten werden, wird die Behinderung meist sehr früh erkannt. „Glücklicherweise“, so Prof. Sven Koscielny, „denn je früher die Kinder mit Implantaten versorgt werden, desto besser.“ Ohne die Hörtests wurde eine Schwerhörigkeit früher meist erst im Alter von zwei Jahren festgestellt, wenn ein großer Teil der Sprachentwicklung bereits stattgefunden hat. Je später die Kinder mit der Welt der Klänge konfrontiert werden, desto schwerer fällt es ihnen, Hören und Sprechen zu lernen. „Daher operieren wir taube Kinder heutzutage im ersten Lebensjahr oder kurz danach“, sagt Prof. Koscielny.
Wenn das Innenohr nicht in der Lage ist, Schall in elektrische Impulse zu übersetzen, hilft auch kein Hörgerät weiter. Das Cochlea-Implantat arbeitet daher mit 22 Elektroden, die Impulse über die Sendespule und den implantierten Stimulator erhalten. Statt der geschädigten Haarzellen wird der Hörnerv stimuliert. Der Klangeindruck unterscheidet sich jedoch von der Leistung eines gesunden Ohres. „Patienten, die erst im Erwachsenenalter ertaubt sind und ein Cochlea-Implantat erhalten, beschreiben den Klang als blechern“, so Prof. Koscielny. Durch intensives Training lernen sie, die neuen Sinneseindrücke zu deuten.
In den vergangenen Jahren habe sich die Technik rasant entwickelt, so der Mediziner. „Unsere Patienten können heute mit ihren Implantaten beispielsweise Musikhören, was früher nicht möglich war.“ Während 1993 nur beidseits ertaubte Patienten auf einer Seite operiert wurden, geht der Trend heute dahin, jedem Betroffenen ein zweites Implantat einzusetzen. „Es hat sich gezeigt, dass sich dadurch das räumliche Hören und auch das Sprachverstehen deutlich verbessern“, so Prof. Koscielny. Zudem können heute auch einseitig Ertaubte und hochgradig Schwerhörige von einer Implantation profitieren. „Hier gibt es keine Altersbegrenzung.“
155 Patienten haben in den vergangenen 20 Jahren in der HNO-Klinik am UKJ ein Cochlea-Implantat erhalten, in ganz Deutschland sind heute mehr als 7000 Menschen mit dieser Technik versorgt. „Wer das Implantat im Säuglingsalter erhält, hat hohe Chancen auf eine normale Entwicklung in der Welt der Hörenden“, so Prof. Koscielny. Er habe sogar einen ärztlichen Kollegen, der ein Implantat trägt.
Um über Meilensteine der Cochlea-Implantation in den vergangenen 20 Jahren sowie über aktuelle Entwicklungen der Hörimplantation zu sprechen, findet am 9. Oktober in Jena eine Festveranstaltung statt.
Kontakt:
Prof. Sven Koscielny
Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde
Lessingstraße 2
07742 Jena
Tel. 03641 9 35123
E-Mail sven.koscielny@med.uni-jena.de