21.12.2015
Klingeltestat und Chlamydienforschung
Professor Eberhard Straube geht in den Ruhestand/ Er prägte ein Vierteljahrhundert medizinische Mikrobiologie an der Jenaer Universität
Jena (UKJ/vdG). Das Arbeitszimmer mit Blick auf die Lobdeburg sieht noch gar nicht nach Ruhestand aus: Der Rechner läuft, Papier bedeckt die Tischfläche und auch das Telefon meldet sich ab und zu. Seit 2012 arbeitet Eberhard Straube als Seniorprofessor in dem Büro im Laborzentrum des Jenaer Uniklinikums. Bis dahin leitete er, von 1988 an, das Institut für Medizinischen Mikrobiologie. Aus einer Medizinerfamilie stammend, kam Eberhard Straube nach Studium, Facharztausbildung und Habilitation von der Universität Rostock nach Jena und wurde am 2. Oktober 1990 zum ordentlichen Professor ernannt. „Unser Institut in der Semmelweißstraße war 1991 das erste Sollwertlabor für die serologische und bakteriologische Diagnostik im Osten Deutschlands“, beschreibt Eberhard Straube einen Erfolg der aufregenden Nachwendejahre.
„Lehre zwingt zum Wissen im gesamten Fach“
Der Mikrobiologe engagierte sich in der akademischen Selbstverwaltung der Friedrich-Schiller-Universität Jena im Senat und der Fakultät und arbeitete als Studiendekan Mitte der 1990er Jahre in einer Bund-Länder-Kommission zur Novellierung der ärztlichen Approbationsordnung mit: „Obwohl viele unserer Vorschläge und Neuerungen damals umgesetzt wurden, gelang es uns nicht, das ‚Hammerexamen‘ abzuschaffen“, so der Mediziner, der froh ist, dass es diese wenig sinnvolle Prüfungsform inzwischen nicht mehr gibt.
Der engagierte Hochschullehrer hat das Unterrichten und den Austausch mit den Studierenden immer als Bereicherung empfunden: „Lehre zwingt zum fundierten und aktuellen Wissen im gesamten Fach.“ Und das wusste er lebendig zu vermitteln – und auch ideenreich abzufragen. Das Klingeltestat, eine Prüfung im Stationsbetrieb mit Zeitbegrenzung, ist inzwischen legendär und weiterhin Bestandteil des 3. Studienjahres.
Anknüpfungspunkte an aktuelle Projekte
Mit der Forschung an Chlamydien führte Eberhard Straube einen wissenschaftlichen Schwerpunkt des Institutes fort, das schon in den 1980er Jahren als Referenzlabor für diese Bakterienarten anerkannt war und jetzt als Konsiliarlabor des Robert-Koch-Instituts arbeitet. Die Erfahrungen dieses Labors führten u.a. zur Beteiligung an der bislang größten Studie zur ambulant erworbenen Pneumonie. „Die Mechanismen, mit denen Chlamydien ihre Wirtszellen steuern, können auch für die Erforschung von chronischen Infektionen mit anderen Bakterien wichtige Anhaltspunkte geben“, sieht der Mikrobiologe Anknüpfungspunkte an aktuelle Projekte.
Als Erreger, die zwischen Tier und Mensch übertragbar sind, führten die Chlamydien auch zum Schwerpunkt der Zoonosenforschung, die sich mit von solchen Erregern verursachten Infektionserkrankungen beschäftigt. „Eingebunden in große Netzwerke haben wir dabei Therapiemöglichkeiten persistenter Chlamydieninfektionen und den Jenaer Q-Fieber-Ausbruch des Jahres 2005 untersucht“, so Eberhard Straube. Der Mikrobiologe hat auch Anteil an der Sepsisforschung, die in den letzten zwei Jahrzehnten zu einem großen Jenaer Thema gewachsen ist. Seine Entwicklungen zur molekularbiologischen Erregerdiagnostik, die eine schneller gezielte Antibiotikagabe ermöglicht, sind in über 30 Patente gemündet.
Species über Nacht bestimmen
Die Ärzte des Uniklinikums können rund um die Uhr auf die Diagnostikleistungen der Mikrobiologie zugreifen, die auch für die Krankenhaushygiene eine zentrale Rolle spielen. „Hier hat sich vor allem mit dem Umzug 2008 nach Lobeda in das neue Laborgebäude viel geändert“, betont Eberhard Straube. „Mit der automatisierten Kultivierung und der Auswertung im Massenspektrometer können wir aus Proben des Vortages die Erregerspecies am nächsten Morgen bestimmen, das ist ein Zeitgewinn von mindestens einem Tag, der den Patienten unmittelbar zugute kommt.“
Zur Verabschiedung von Professor Straube und zur Würdigung seiner wissenschaftlichen Leistungen richteten seine Nachfolgerin Prof. Bettina Löffler und die Institutsmitarbeiter ein Symposium aus über die Überlebensstrategien von Bakterien. Aber einen Arbeitsplatz im Institut wird Eberhard Straube zunächst behalten, denn so ganz zur Ruhe setzen will er sich immer noch nicht: „Wir befassen uns mit einem Projekt zu den Mechanismen der Tumortherapie mit dem Tuberkulose-Impfstoff BCG“, nimmt er ein früheres Forschungsthema wieder auf und deutet dabei auf einen der Papierstapel auf dem Tisch. Und während vor der Tür ein Doktorand zur Konsultation wartet, greift er zum klingelnden Telefon und berät einen Arzt aus Wiesbaden zur Chlamydiendiagnostik.