02.05.2016
Kunstherz der neuesten Generation am UKJ transplantiert
67-Jähriger aus Arnstadt erhält modernes Herzunterstützungssystem
Jena (UKJ/as). Manchmal hat er es schon vergessen. Dann erinnert die schwarze Umhängetasche Heinrich Wawryk wieder daran, dass sein Herz allein zu schwach ist, um seinen Körper mit ausreichend Blut zu versorgen. Der 67-Jährige ist der erste Patient an der Klinik für Herz- und Thoraxchirurgie am UKJ von Prof. Torsten Doenst, der ein Linksherzunterstützungssystem der neuesten Generation erhalten hat. In der drei Kilogramm schweren Tasche, die Heinrich Wawryk immer bei sich trägt, verstaut er das Kontrollgerät und die Akkus. Über einen Schlauch durch die Bauchdecke liefern sie den Strom, der sein Kunstherz rund um die Uhr arbeiten lässt.
Zuerst merkt Heinrich Wawryk, wie ihm beim Treppensteigen die Luft wegbleibt. Auch längere Strecken zu laufen, fällt ihm immer schwerer. Mehr als drei Jahre lang muss der Kunstmaler und Dozent miterleben, wie sein eigenes Herz immer schwächer wird. „Am Ende lag die Leistung bei zehn Prozent“, sagt die Leiterin des Kunstherzprogramms und leitende Oberärztin, Dr. Gloria Färber, aus der Klinik für Herz- und Thoraxchirurgie. Patienten mit einer Herzmuskelschwäche gerieten oft in einen Teufelskreis: Unter der geringeren Pumpleistung leiden auch andere Organe, Flüssigkeit lagert sich ein, die Herzklappen werden undicht und leiern aus. „Oft verläuft die Krankheit in Schüben, wobei die Patienten in der Tendenz immer weiter abbauen – vor allem muskulär“, so Färber.
Im vergangenen Sommer geht es Heinrich Wawryk so schlecht, dass er das Krankenhaus an seinem Wohnort in Arnstadt aufsucht. Sofort wird er ans Universitätsklinikum Jena überwiesen, wo die Ärzte feststellen, dass sich sein Schrittmacher infiziert hat. Mehrere Wochen mit diversen Untersuchungen vergehen, in denen sich Heinrich Wawryk mit dem Gedanken an ein Kunstherz anfreundet. „Für mich war klar, dass es – wenn es denn sein muss – das neueste Modell sein soll.“ Am 10. November wird ihm ein Gerät implantiert, das erst im Monat zuvor zugelassen wurde.
Bereits seit 2010 versorgen Klinikdirektor Prof. Torsten Doenst und sein Team Patienten in Jena mit Herzunterstützungssystemen, die elektrisch arbeiten. Dabei spült ein kleiner Rotor mit einer individuell eingestellten Geschwindigkeit kontinuierlich Blut durch den Körper. Meist haben die Patienten keinen spürbaren Puls. Das eigene Herz arbeitet weiter und in seltenen Fällen erholt es sich so gut, dass es vom Kunstherz „entwöhnt“ werden kann. Die neue Generation der Kunstherzen zeichnet sich dadurch aus, dass der Rotor durch Magnetkraft in der Schwebe gehalten wird. So ist kein Lager notwendig, das bei früheren Modellen häufig die Ursache für die Bildung von Blutgerinnseln mit teilweise schlimmen Komplikationen war. Außerdem kommen die Geräte mit weniger Strom aus, die Akkus halten 12 bis 14 Stunden.
Die bisherigen Erfahrungen seien positiv, so Kardiotechniker Birk Runge, der als Koordinator für die so genannten ventrikulären Assistenzsysteme am UKJ tätig ist. „Wie gut die neuen Herzunterstützungssysteme tatsächlich sind, können wir aber erst in zwei, drei Jahren sagen.“ Die Kardiotechniker sind wichtige Ansprechpartner für die Kunstherz-Patienten. „Das Bedienungshandbuch ist so dick“, sagt Runge und deutet mit seinen Händen die Größe eines Bauklotzes an. Nur das Wichtigste vermitteln er und seine Kollegen den Patienten und ihren Angehörigen, die immer anrufen können, wenn sie Fragen zu ihrem neuen Begleiter haben. „Uns ist wichtig, die Patienten bereits vor der Operation mit dem System vertraut zu machen“, sagt Runge. „Damit sie möglichst genau wissen, was auf sie zukommt.“ Baden darf Heinrich Wawryk nicht, ansonsten soll er sich nicht einschränken. „Es ist nicht ausgeschlossen, mit einem Kunstherz berufstätig zu sein“, so der Kardiotechniker. Viele Patienten seien zu vorsichtig und müssten sich erst wieder daran gewöhnen, belastbar zu sein. Heinrich Wawryk hat diesen Schritt schon geschafft, arbeitet wieder mehrere Stunden täglich in seinem Atelier, fährt selbst Auto. Seine Frau und eine treue Schülerschar würden ihn besonders motivieren.
Natürlich habe er darauf gehofft, ein Spenderherz zu bekommen. Als der Zustand des Kunstmalers so schlecht war, dass auch Leber und Niere in Mitleidenschaft gezogen wurden, stand er kurzzeitig auf der Hochdringlichkeitsliste für ein Spenderherz. Doch dann erholten sich seine Organe. „Damit ist er jetzt zu gesund für die Hochdringlichkeitsliste“, sagt die leitende Oberärztin Färber. Die Wartezeit auf ein gespendetes Organ liegt für Patienten wie Heinrich Wawryk im Moment bei rund fünf Jahren. Am UKJ haben daher bis heute etwa 900 Patienten ein Kunstherz erhalten, während nur 300 ein Spenderherz transplantiert wurde. „Wir sind auf die Herzunterstützungssysteme angewiesen, um unseren Patienten zu helfen“, so Färber. Dank der technischen Verbesserungen seien diese Systeme heute keine Notlösung mehr. „Es geht uns darum, Perspektiven zu schaffen.“ Heinrich Wawryk hat sein Ziel fest vor Augen. Er will mit seinen Schülern wieder zum Zeichnen hinaus in die Natur ziehen. Im Herbst startet sein nächster Kurs.
Kontakt:
Prof. Torsten Doenst
Direktor der Klinik für Herz- und Thoraxchirurgie
Erlanger Allee 101
07747 Jena
Tel. 03641 9-32 29 89