01.07.2016
Pollen in der Falle
Dr. Andrea Koch von der Arbeitsgruppe Raumklimatologie weiß, was in der Luft unterwegs ist
Jena (ukj/as). Mit dem Fahrstuhl ins Obergeschoss, über eine Treppe bis unters Dach und schließlich durch eine Luke nach draußen auf das Dach der Augenklink in der Jenaer Innenstadt – jede Woche legt Dr. Andrea Koch diesen Weg zwei Mal zurück. Ihr Ziel: die sogenannte Pollenfalle. Das silberne Gehäuse liefert wichtige Daten für ihre Arbeit. Eine Pumpe sorgt dafür, dass durch einen schmalen Schlitz permanent Luft ins Innere der Falle gesaugt wird. „Die Saugleistung beträgt zehn Liter pro Minute“, sagt Dr. Koch. Das entspricht etwa dem Atemvolumen eines arbeitenden Menschen. Die angesaugte Luft prallt auf einen Folienstreifen, den die Biologin zuvor mit Vaseline bestrichen hat. Ein Uhrwerk dreht die Trommel im Inneren konstant zwei Millimeter pro Stunde, so dass nach einer Woche der gesamte Streifen rund um die Trommel bedeckt ist – mit Schmutz, kleinen Tieren, vor allem aber mit Pollen.
Im Labor schneidet die Biologin zusammen mit der Medizinisch-Technischen Assistentin Anika Hopf den Streifen in Stücke, wobei jedes Auskunft über den Pollengehalt eines Tages gibt. Unter dem Mikroskop werten beide die eingefärbten Präparate aus. „Durch ihre Größe, die Beschaffenheit der Oberfläche oder die Anzahl der Poren lassen sich die einzelnen Pollen voneinander unterscheiden“, so Dr. Koch. Je nach Anzahl der auf einem Tagesstreifen gezählten Pollen variiert der Gehalt in der Luft von gering bis hoch. Die Ergebnisse liefert Dr. Koch an die Stiftung Deutscher Polleninformationsdienst, die zusammen mit dem Deutschen Wetterdienst aktuelle Pollenflugvorhersagen online veröffentlicht. Allergologisch interessierte Mediziner am Universitätsklinikum Jena erhalten die Jenaer Werte außerdem direkt zugeschickt. Für die Allergieabteilung an der Jenaer Hautklinik spielen die Daten zum Beispiel für die Hyposensibilisierung eine Rolle. An Tagen mit starkem Pollenflug verschieben die Ärzte die Spritze lieber.
Begonnen hat Dr. Andrea Koch mit dieser Arbeit an der Medizinischen Akademie Erfurt, bevor sie Teil der Arbeitsgruppe Raumklimatologie des Instituts für Arbeits-, Sozial-, Umweltmedizin und -hygiene in Jena wurde. Heute ist die Arbeitsgruppe am Institut für Medizinischen Mikrobiologie am Universitätsklinikum Jena angesiedelt, die Laborräume befinden sich aber in der Bachstraße im Jenaer Stadtzentrum. Auch wenn der Biologin selbst nur noch zwei Jahre bis zum Ruhestand bleiben, hat sie den Umzug nach Lobeda im Blick. Seit einem Jahr befindet sich auf einem Bettenhaus am Klinikumsstandort Lobeda eine weitere Pollenfalle. „Mein Nachfolger soll nicht bei Null anfangen müssen“, sagt Dr. Koch.
Der Einzugsbereich einer Pollenfalle ist auf einige Kilometer beschränkt. Dennoch spiegeln die erhobenen Daten den Pollenflug des entsprechenden Klimaraums wider. „Ab einer Außentemperatur von fünf Grad Celsius beginnen die Pollen zu fliegen“, so Dr. Koch. Daher ist die Jenaer Pollenfalle meist von Anfang Januar bis Ende September im Einsatz. „Der Beginn der Blüte variiert von Jahr zu Jahr und auch in den verschiedenen Klimaräumen stark“, so die Biologin. Zahlreiche Faktoren beeinflussen den Flug – neben dem aktuellen Klima auch das Klima des Vorjahres sowie Regen, Sonnenscheindauer und Wind. Daher lassen sich keine genauen Vorhersagen treffen. „Exakte Informationen über die aktuelle Situation können daher nur die mikroskopische Bestimmung und das Auszählen liefern.“
Die Pollenflugsaison beginnt generell mit der Blüte von Hasel und Erle, es folgen unter anderem Birke und Eiche. Anfang Mai startet der Gräserpollenflug und Ende Mai der Flug der Pollen von Roggen und anderen Getreiden. Im Juli und August sind die Pollen von Kräutern unterwegs. Dr. Andrea Koch hat im Laufe der Jahre jedoch deutliche Veränderungen beobachtet. „Beispielsweise ist die allergologische Bedeutung der Esche gestiegen, deren Pollen bei immer mehr Menschen Allergien auslösen.“ Ein Grund könnte in der zunehmenden Reisefreude liegen – wer zur Zeit der Olivenblüte im Mai und Juni am Mittelmeer Urlaub macht, entwickelt eventuell eine Überempfindlichkeit, denn die Oliven- und die Eschenpollen ähneln sich stark, so dass immer mehr Betroffene im nächsten Jahr zu Hause auf die Eschenpollen reagieren. Seit etwa acht Jahren stellt Dr. Koch zudem fest, dass sich das Traubenkraut (Ambrosia) enorm verbreitet. Die ursprünglich aus Nordamerika stammende Pflanze hat ihre Hauptblütezeit im August und September. Dr. Koch: „Dadurch hat sich die Leidenszeit für Pollenallergiker verlängert.“
Hintergrund
Die Stiftung Deutscher Polleninformationsdienst (PID) wurde 1983 gegründet. Nach der Wiedervereinigung im Jahre 1990 konnte das Netz aus Messstellen der Bundesrepublik Deutschland auf die neuen Bundesländer ausgedehnt werden. Mittlerweile liefert während der Pollensaison geschultes Personal von 55 Standorten Daten an den Polleninformationsdienst.