16.09.2016
Wie Pilze zu gefährlichen Krankheitserregern werden
Neue Forschergruppe „Host Fungal Interfaces“ nimmt im Oktober ihre Arbeit auf
HKI. Sie ist eine der gefährlichsten Krankheiten weltweit. Allein in Deutschland erkranken Jahr für Jahr rund 150.000 Menschen an einer Sepsis. Ungefähr 60.000 Patienten sterben an dieser - auch Blutvergiftung genannten - Erkrankung, bei der die körpereigene Immunabwehr infolge einer Infektion außer Kontrolle gerät. Neue Ansatzpunkte zur Diagnose und Therapie von Sepsis zu finden, das ist das Ziel des Zentrums für Innovationskompetenz (ZIK) Septomics in Jena. Die gemeinsame Forschungseinrichtung der Friedrich-Schiller-Universität Jena (FSU), des Universitätsklinikums Jena (UKJ) sowie des Leibniz-Instituts für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut (HKI) – wird seit 2009 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert und darüber hinaus vom Freistaat Thüringen unterstützt.
Jetzt erhält das ZIK Septomics, das seinen Sitz auf dem Jenaer Beutenberg-Campus hat, weitere Verstärkung: Am 1. Oktober nimmt die neue Forschergruppe „Host Fungal Interfaces“ ihre Arbeit auf. Das 6-köpfige Team wird geleitet von Dr. Slavena Vylkova. Die 38-jährige Biologin wechselte von der University of Texas in Houston nach Jena. Das Forschungsprojekt wird für fünf Jahre mit rund 6,7 Millionen Euro gefördert.
„Wir freuen uns, dass wir mit Dr. Vylkova eine anerkannte Nachwuchswissenschaftlerin aus den USA nach Jena holen konnten. Das ist ein erneutes Zeichen dafür, dass die Forschung zu Sepsis und invasiven Pilzerkrankungen in Jena weltweit anerkannt ist. Dr. Vylkova wird hier neue Schwerpunkte setzen und unsere Arbeit bereichern – gerade auch mit ihrer internationalen Erfahrung“, sagt Prof. Dr. Oliver Kurzai, Vorstandssprecher des ZIK und Inhaber der Professur für Fungal Septomics der FSU. So werde die neue Gruppe klinisch relevante Aspekte der Pathobiologie invasiver Pilzinfektionen untersuchen. Dabei geht es um das Zusammenspiel von Sepsis-Erregern wie dem Hefepilz Candida albicans und dem Organismus der betroffenen Patienten.
Slavena Vylkova befasst sich bereits seit ihrer Promotionsarbeit an der University of New York in Buffalo mit krankheitserregenden Hefepilzen. So konnte sie unter anderem den Mechanismus aufklären, nach dem bestimmte Peptide im Speichel von Patienten mit einem gestörten Immunsystem, Pilzinfektionen mit Candida albicans bekämpfen. Dies betrifft z. B. HIV-Patienten. In Houston untersuchte sie, wie Candida albicans gezielt den pH-Wert der Umgebung beeinflusst. „Der pH-Wert wiederum reguliert die Pathogenität des Pilzes“, erläutert Vylkova. Bei steigendem pH wechselt der Pilz von einer runden Form einzeln wachsender Hefezellen zu langen, mehrzelligen Hyphen, die sehr aggressiv in das infizierte Gewebe einwachsen.
In den kommenden fünf Jahren in Jena will die Bulgarin, die auch einen US-amerikanischen Pass besitzt, vor allem Biofilme untersuchen. „Die meisten Mikroorganismen können Biofilme bilden“, erläutert die Wissenschaftlerin, „sie wachsen an Oberflächen, wie z. B. intravenösen Kathedern aber auch humanen Geweben zu vielschichtigen Gebilden zusammen.“ Das mache sie nicht nur für die Immunabwehr zum Problem. „Auch für Antibiotika oder andere Medikamente sind die Erreger in dieser Form nur schwer zugänglich.“ Die Folge: Aus der Besiedlung mit den Mikroben kann eine Infektion und später eine Sepsis entstehen.
Ein Ziel der von Dr. Vylkova geleiteten Forschergruppe ist es herauszufinden, wie sich die unterschiedlichen Wachstumsbedingungen innerhalb der Biofilme auf den pH-Wert und damit die Pathogenität der Pilze auswirken. Dies sei zunächst Grundlagenforschung, die Ergebnisse lassen jedoch auch direkte Anwendungsmöglichkeiten erwarten. „Nicht nur in der Therapie von Sepsis, sondern beispielsweise auch in der Behandlung von Brandwunden“, so Vylkova. Denn auch in der Wundheilung spiele der pH-Wert eine entscheidende Rolle und Wundinfektionen durch Pilze sind bislang kaum untersucht.