Jena (UKJ/as) Ein Kartenstapel mit Begriffen aus dem Pflegealltag, ein Tisch voller Gegenstände. Was passt zusammen? Die 23- bis 39-jährigen Italiener grübeln eine Weile, bis sie alles richtig zugeordnet haben. Seit dem Frühjahr leben sie in Deutschland und arbeiten als Krankenpflegehelfer am Universitätsklinikum Jena (UKJ). Insgesamt 16 Männer und Frauen haben diesen Schritt gewagt. Sie arbeiten im OP, auf den Erwachsenen-Intensivstationen und der Intermediate-Care-Station, auf der Kinder-Intensivstation und der Neonatologie – für die meisten ist es die erste praktische Tätigkeit in der Pflege überhaupt.
Für die acht der 16 italienischen Kollegen, die sich um kranke Kinder kümmern, haben die Fachkinderkrankenschwestern Franziska Karich und Melanie Reiss ein eigenes Konzept für die Einarbeitung entwickelt. Einmal im Monat für acht Stunden versuchen sie mit praxisnaher Theorie durch Fotos, Videos und andere pädagogische Konzepte die italienischen Kollegen fit für den Arbeitsalltag auf der Neonatologie und der Kinder-ITS zu machen. „Diese Unterstützung ist wichtig für sie, damit sie Sicherheit gewinnen und wissen, wo sie stehen“, sagt Melanie Reiss. Denn trotz des regulären Sprachunterrichts fällt es den neuen Kollegen manchmal schwer zu verstehen, was von ihnen erwartet wird. „Wir haben ein Konzept der ganzheitlichen Pflege – neben der Technik und den Medikamenten spielen Kommunikation und die Bedürfnisse der Patienten einfach eine wichtige Rolle“, sagt Franziska Karich.
Neben dem monatlichen Übungstag gehört auch die persönliche Begleitung zum Einarbeitungskonzept. Mehrere Mentoren kümmern sich auf den Stationen im Wechsel um eine italienische Pflegekraft. Sie haben sich extra dafür schulen lassen. Auch für sie ist die intensive Einarbeitung der neuen Kollegen eine besondere Situation. „Wir mussten bei Null anfangen – damit hatten wir so nicht gerechnet“, sagt Christin Pistor, Mentorin auf der Kinderintensivstation, und meint zum einen die Sprachbarriere aber auch die Tatsache, dass sich die Inhalte der Ausbildung in Deutschland und die des italienischen Pflege-Studiums in vielen Punkten unterscheiden: Während die Italiener sehr viel Wert auf medizinisches Fachwissen legen, stehen praktische Fähigkeiten kaum im Fokus.
„Wenn wir langsam sprechen, funktioniert es besser“, sagt Maria Wulf, Mentorin in der Neonatologie. Doch dafür fehle in der Intensivmedizin manchmal einfach die Zeit – die Patienten müssen ja weiterhin versorgt werden. Manchmal kommt die Übersetzer-App im Handy zum Einsatz und ein wenig Italienisch habe sie inzwischen auch gelernt. „Ich bin ganz stolz darauf, wie sich unsere Mentoren engagieren“, sagt Franziska Karich. Aber auch sie selbst und ihre Kollegin Melanie Reiss haben viel Energie – und viele Überstunden und freie Tage – hineingesteckt. Ihr Einsatz geht weit über das Berufliche hinaus. Sie organisieren gemeinsame Aktivitäten für Italiener und Mentoren und helfen bei Bedarf auch dabei, einen Staubsauger aufzutreiben. „Es braucht Leidenschaft für diesen Beruf – und ein sehr gutes Team, das einen auffängt“, sagt Franziska Karich.
Auch die jungen Italiener, die sich fern von Heimat und Familien einen neuen Lebensmittelpunkt aufbauen, geben viel. „Sie wollen es wirklich und nehmen sich unsere Kritik sehr zu Herzen“, sagt Mentorin Christin Pistor. „Sie sind ambitioniert, trauen sich aber noch nicht immer offen zu sagen, wenn sie etwas nicht verstehen“, sagt Franziska Karich.
Bereits im Juli 2016 haben die ersten italienischen Pflegekräfte angefangen auf der Erwachsenen-Intensivstation zu arbeiten. Warum das Universitätsklinikum Jena sich für das Projekt entschieden hat? Gründe sind die hohe Jugendarbeitslosigkeit in Italien auf der einen Seite und auf der anderen Seite die Tatsache, dass schon bald in der Pflege im Jahr mehr Mitarbeiter das UKJ altersbedingt verlassen als neue ausgebildet werden können. Wenn die jungen Italiener das Sprachniveau B2 erreicht haben, können sie ihren Berufsabschluss anerkennen lassen und als Gesundheits- und Krankenpfleger arbeiten.
Ende November steht diese Sprachprüfung für alle neuen italienischen Pflegenden an. Bis dahin sind auf den Stationen praktische Kompetenzübungen mit Franziska Karich und Melanie Reiss geplant, um den Transfer von der Theorie in die Praxis zu überprüfen. „Sie bekommen beispielsweise den Auftrag, ein Kind zur Grundpflege ganzheitlich zu betreuen, während wir sie dabei beobachten. Im Anschluss findet ein ausführliches Auswertungsgespräch statt“, sagt Melanie Reiss. Dies sei eine gute Möglichkeit, um festzustellen, wo die neuen Kollegen stehen und welche Unterstützung sie eventuell noch brauchen. Nach einem halben Jahr, da sind sich die beiden Koordinatorinnen einig, sei die Phase der Einarbeitung aber noch nicht abgeschlossen. Jetzt warten sie zunächst auf die Ergebnisse von Sprach- und Kompetenztest – und hoffen, dass sich all das Engagement auszahlt. Franziska Karich: „Die Ergebnisse werden zeigen, wie die Einarbeitung weiter gestaltet werden muss, damit unsere Patienten optimal versorgt werden.“