Jena (UKJ/kbo). Im Oktober starten das Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden (UKDD) und das Universitätsklinikum Jena (UKJ) gemeinsam mit den Kassenärztlichen Vereinigungen Sachsen / Thüringen und den Krankenkassen AOK Plus und BARMER ein vierjähriges Pilotprojekt in Ostsachsen und Ostthüringen: den so genannten „feto-neonatalen Gesundheitspfad“. Hinter dem komplizierten Begriff verbirgt sich ein einfaches Ziel: Die beiden Perinatalzentren wollen den Allerkleinsten einen möglichst guten Start ins Leben ermöglichen – durch Früherkennung und intensive Betreuung während der Schwangerschaft und gemeinsame Versorgung von Mutter und Kind durch Frauen- und Kinderärzte sowie Psychologen bis zum vollendeten ersten Lebensjahr des Kindes. Der Pfad wird vom Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses mit fast fünf Millionen Euro gefördert.
In Thüringen und Sachsen werden zusammen jährlich etwa 50.000 Kinder geboren. Fünf bis zehn Prozent dieser Kinder wachsen während der Schwangerschaft nicht ausreichend. „Unser Ziel ist, dieses Risiko frühzeitig zu erkennen und Komplikationen zu verhindern. Der neue Pfad ist eine Riesenchance zu zeigen, dass eine strukturierte Vorsorge für diese Kinder bessere Startchancen fürs Leben ermöglicht!“, sagt Professor Ekkehard Schleußner, Direktor der Klinik für Geburtsmedizin am UKJ. Denn das beeinträchtige Wachstum hat Folgen für die Kinder: Bei ihnen besteht nicht nur ein erhöhtes Risiko für eine Frühgeburt. Sie entwickeln oft auch langfristige gesundheitliche Probleme wie Diabetes oder Adipositas. „Obwohl sich bei einem Teil der Schwangeren ein solches vermindertes Wachstum erst in der zweiten Schwangerschaftshälfte entwickelt, ist es möglich, dies schon früher abzuschätzen“, weiß Schleußner.
Zwar gibt es in Deutschland eine gute Schwangerschaftsvorsorge. Viele spezielle Untersuchungen sind aber derzeit noch freiwillige Zusatzleistungen (IGeL) und gehören nicht zum Standard. Und selbst, wenn bei Frauen ein erhöhtes Risiko für eine Präeklampsie oder ein vermindertes Wachstum des Kindes festgestellt wird, gibt es bisher keinen abgestimmten Behandlungspfad für alle beteiligten Fachrichtungen. „Das wollen wir mit dem neuen Pfad ändern!“, erklärt Professor Mario Rüdiger, Direktor des Zentrums für Feto-Neonatale Gesundheit am UKDD. Mit dem neuen Pfad sollen alle Berufsgruppen, vom Frauen- zum Kinderarzt bis hin zum Psychologen, von der Frühschwangerschaft bis zum vollendeten ersten Lebensjahr des Kindes, zusammenarbeiten. Außerdem werden alle speziellen Untersuchungen von den Krankenkassen bezahlt. Im Pfad werden die Schwangeren und deren Kinder sowohl in den Arztpraxen als auch in den Kliniken, ambulant und stationär koordiniert betreut. Und schließlich und besonders wichtig: Die Ärzte und Psychologen arbeiten präventiv.
Der Pfad beinhaltet sowohl spezielle Blut- und Ultraschalluntersuchungen während der Schwangerschaft als auch vertiefte U-Untersuchungen für das Kind. Zudem besteht ein fest verankertes psychologisches Hilfsangebot. „Wir sehen bei Eltern von Frühgeborenen, wie wichtig psychologische Unterstützung ist“, berichtet Professor Hans Proquitté, Leiter der Sektion Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin am UKJ. „Selbstverständlich haben gerade Eltern mit zu kleinen Kindern besondere Sorgen und Ängste und benötigen daher erweiterte Angebote. Wir denken dabei ganzheitlich.“
Für die kommenden drei Jahre werden Schwangere und ihre Kinder in den Modellregionen Ostthüringen und Ostsachsen in dem neuen Pfad betreut, danach folgt eine Evaluationsphase. Das große Ziel der Kliniken: einen bundesweiten Standard erreichen! „Wir wollen da Vorreiter für Deutschland sein!“, beschreibt es Prof. Schleußner. „Sachsen und Thüringen haben die niedrigste perinatale Sterblichkeit in Deutschland. Wir haben daher die Möglichkeit, schon jetzt die Probleme der Zukunft anzugehen!“, erklärt Prof. Rüdiger die Motivation hinter dem Pfad. „Das ist gelebte Zusammenarbeit in Mitteldeutschland“, finden die Experten.
Voraussetzung für den Erfolg des Pilotprojekts ist eine enge Zusammenarbeit von Krankenkassen, Kassenärztlicher Vereinigung und niedergelassenen Ärzten mit den beiden Perinatalzentren. „Für diese gute Kooperation sind wir ausgesprochen dankbar“, so Professor Rüdiger. „Auch die Krankenkassen wissen, dass sich Prävention langfristig auszahlt.“ Alle Beteiligten sind frohen Mutes: „Wir sind überzeugt, dass der neue Pfad sowohl den Eltern als auch den Kindern helfen wird – und dass unsere gemeinsame Anstrengung zum Erfolg führt“, so Prof. Proquitté.