Jena (UKJ/as). An rund 1.200.000 Tagen fehlten die rund 1.053.000 Erwerbstätigen in Thüringen im Jahr 2017 aufgrund von Rückenschmerzen. Zu diesem Ergebnis kommt der von der „DAK Gesundheit“ erstellte Gesundheitsreport, der Ende 2018 vorgestellt wurde. Thüringen liegt damit im Vergleich aller Bundesländer an vierter Stelle. Prof. Ulrich Smolenski leitet das Institut für Physiotherapie am Universitätsklinikum Jena und erklärt, woher Rückenschmerzen kommen und was Betroffene dagegen tun können.
Wie häufig sind Rückenschmerzen?
Prof. Smolenski: Zwischen 60 und 80 Prozent der Deutschen hat im Leben mit Rückenproblemen zu kämpfen. Rund jeder Zweite bejaht die Frage, ob er im vergangenen halben Jahr Schmerzen im Rücken hatte. Bei etwa zwölf Prozent der Betroffenen sind die Schmerzen chronisch. Etwa 20 Milliarden Euro kostet uns das Rückenleiden in Deutschland jedes Jahr. Nur ein Drittel dieser Kosten wird für die medizinische Behandlung benötigt. Den größten Teil der Kosten machen die durch Fehltage verursachten wirtschaftlichen Verluste aus.
Warum haben wir Rückenschmerzen?
Prof. Smolenski: Es gibt klar definierte – sogenannte spezifische – Rückenschmerzen. Grund sind zum Beispiel degenerative Veränderungen, Unfälle, Tumoren oder Fehlbildungen. Hier liegt den Schmerzen eine erfassbare Ursache zu Grunde und die Mediziner können eine gezielte Therapie anbieten. In 80 Prozent der Fälle handelt es sich jedoch um unspezifische Rückenschmerzen. Die Gründe dafür können ganz unterschiedlich sein – Überforderung im Alltag, berufliche Belastungen, fehlende oder falsche Bewegung oder auch das Bedürfnis, wahrgenommen zu werden.
Können diese Schmerzen mit MRT- oder CT-Untersuchungen sichtbar gemacht werden?
Prof. Smolenski: Interessanter Weise stehen sichtbare Strukturveränderungen und Schmerzen nicht immer in direktem Zusammenhang. Bei manchen Menschen sehen wir stark veränderte Strukturen, ohne dass sie Schmerzen haben. Andere Patienten klagen über starke Schmerzen, obwohl wir keine Strukturveränderungen sehen. Die Ursache für die Schmerzen kann also ganz woanders liegen.
Wo zum Beispiel?
Prof. Smolenski: Gerade Jena ist eine Hightech-Region. Hier arbeiten sehr viele Menschen am Computer. Die Ursache für die Schmerzen liegt also nicht nur in Schwerstarbeit, sondern auch in der Bildschirmtätigkeit. Die Belastungen sind oft funktionell und mental bedingt: Wir haben Stress und spannen uns an. Das ist ein normaler Schutzmechanismus. Viele Berufstätige klagen heute über Beschwerden im Nackenbereich.
Was hilft?
Prof. Smolenski: Wir sind als bewegter Mensch konzipiert. Bewegung ist eigentlich immer die erste Therapie. Manchmal ist es notwendig, eine akute Schmerzsituation mit Medikamenten oder Physiotherapie zu durchbrechen. Diese sollten über einen kurzen Zeitraum sehr konsequent und richtig dosiert eingesetzt werden. Danach sollte der Patienten aber wieder anfangen, sich zu bewegen.
Welche Bewegung ist die richtige?
Prof. Smolenski: Bewegung muss Spaß machen. Das ist wichtig. Wir sollten nicht eine Therapie glorifizieren, sondern viel mehr die Freude an der Bewegung generell vermitteln. Jeder muss für sich etwas Passendes finden und dies in vernünftigem Maß betreiben. Wer immer am Schreibtisch sitzt und dann plötzlich Bungeespringen möchte, tut seinem Körper nichts Gutes. Sinnvoll ist eine Mischung aus Kraft- und dynamischen Übungen. Ich persönlich tanze auch sehr gern.