Jena (UKJ/kbo). Derzeit feiern Muslime weltweit das Opferfest – das höchste Fest im Islam. Auch für Muslime in Jena ist es von großer Bedeutung. So wie für Dr. Aysun Tekbaş. Sie ist angehende Viszeralchirurgin in der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Gefäßchirurgie am Uniklinikum Jena (UKJ). Hier erlernt die gebürtige Westfälin tagtäglich das – wie sie es nennt – „künstlerische Handwerk der Chirurgie“ an Bauchorganen wie Dickdarm, Dünndarm oder Gallenblase. Die 34-jährige Assistenzärztin fällt auf. Sie ist Muslima. Und sie trägt Kopftuch. Eine Seltenheit – nicht nur in der Klinik, sondern in Jena.
„Als ich 2015 hierher kam, fühlte ich mich wie eine Außerirdische“, erinnert sie sich. „Ich war eine von sehr, sehr wenigen Frauen mit Kopftuch in der Stadt. Da war mir klar: Hier brauchen wir Aktivitäten! Wir als Muslime müssen mehr in die Öffentlichkeit.“ Gesagt, getan. In kurzer Zeit hat sie einiges auf die Beine gestellt – trotz ihres stressigen Berufs und mit viel Disziplin und Herzblut. Sie gestaltet den interreligiösen Dialog in Jena mit, veranstaltet einmal im Jahr ein Friedensgebet in Jena sowie eine interreligiöse Podiumsdiskussion in Erfurt mit und kümmert sich seit vielen Jahren um minderjährige Flüchtlinge. Dank ihres Einsatzes gibt es nun auf dem Nordfriedhof Jena eine muslimische Grabstätte. Sie hält Vorträge, lädt zum gemeinsamen Fastenbrechen ein. Und immer ist ihr Ziel: Aufklärung und gegenseitiges Verständnis. „Ich möchte einfach zum Frieden in der Gesellschaft beitragen“, erklärt Tekbaş. „Das klingt hochtrabend. Aber wenn ich wenigstens einen Menschen erreiche, reicht mir das schon.“
Für gegenseitiges Verständnis
Sicherlich hat sie weit mehr Menschen erreicht. Alleine am Uniklinikum hat ihr Engagement viel bewirkt. Denn im Umgang mit muslimischen Patienten kommen Fragen auf: Was essen sie? Wo können sie beten, wo trauern? Mehrmals im Jahr gibt sie für ihre Kollegen und künftig für Studenten das Seminar „Medizinethische Aspekte im Umgang mit muslimischen Patientinnen und Patienten“. Denn oft führen schon banale Dinge zu Missverständnissen. „Zum Beispiel empfinden es manche Schwestern als respektlos, wenn ein muslimischer Mann ihnen zur Begrüßung nicht die Hand reicht“, erklärt die Muslima. „Dabei ist das in unserem Glauben eben gerade eine Respektsbekundung gegenüber dem Körper der Frau, ihn nicht zu berühren.“
Mit der Seelsorge am UKJ hat sie sich zusammengesetzt, damit Muslime für die Seelsorge einen festen Ansprechpartner haben. Der findet sich genauso in der offiziellen Broschüre wie der explizite Hinweis, dass Muslime in der Kapelle beten können. Und bald wird es am UKJ als Essensoption für Muslime „Halal“ geben. „Das Küchenpersonal steht dem sehr offen gegenüber“, berichtet Tekbaş. „Vegetarische Speisen und Fisch lassen sich zu Halal zusammenfassen. Eigentlich nur eine Formsache. Bisher hatte einfach keiner danach gefragt.“