Jena (UKJ/kbo). Gerade einmal 405 Gramm wog Annabell, als sie auf die Welt kam. Das sind nicht einmal zwei Päckchen Butter. Sie war in diesem Jahr bisher das kleinste Frühgeborene in der Neonatologie der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Uniklinikum Jena (UKJ). Dass Frühgeborene mit einem so geringen Geburtsgewicht heute überleben können, grenzt an ein Wunder. Denn die Frühgeborenen sind weit mehr als nur klein und leicht: Sie sind schwerstkranke Patienten und die größte Kinderpatientengruppe Deutschlands. Darauf möchte der Weltfrühgeborenentag hinweisen, der jährlich am 17. November stattfindet.
„Am häufigsten haben die Frühgeborenen Störungen der Atmung und des Kreislaufs“, berichtet Professor Dr. Hans Proquitté, Leiter der Sektion Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin am UKJ. „Ein Thema bei den ganz kleinen Frühgeborenen ist zudem der sogenannte Persistierende Ductus arteriosus. Das ist eine Kurzschlussverbindung zwischen Hauptschlagader und Lungenschlagader. Normalerweise verschließt sich diese Verbindung wieder, bei den frühen Frühgeborenen ist das aber noch nicht geschehen. Das wiederum führt bei den Kindern zu Kreislauf- und Lungenproblemen“, so Proquitté weiter.
Die kleinen Kinder benötigen anfangs parenterale Ernährung, das heißt, sie werden per Infusion direkt mit Nährstoffen versorgt. Aber bereits unmittelbar nach Geburt erfolgt auch schon der behutsame Aufbau der Nahrung. Die Frühgeborenen erhalten dann Muttermilch von ihrer Mutter oder aus der hauseigenen Muttermilchbank – über eine Sonde direkt in den Magen-Darmtrakt. „Da für die Kinder zudem ein erhöhtes Infektionsrisiko besteht und viele bereits unmittelbar nach Geburt an Infektionen leiden, erhält ein nicht unerheblicher Teil der Kinder Antibiotika“, weiß Professor Proquitté.
Im vergangenen Jahr hat das Team um Professor Proquitté über 600 Patienten, davon mehr als 70 dieser kleinsten Patienten betreut, in diesem Jahr bereits mehr als 450. Die Neonatologie ist ein hochspezialisierter Arbeitsbereich. Bereits seit 2006 ist das UKJ als Perinatalzentrum der höchsten Stufe anerkannt. Unter anderem sind hier die unterschiedlichsten Beatmungsformen, die Stickstoffmonoxidtherapie oder eine Ganzkörperkühlung bei Geburtsschäden möglich. 25 Ärztinnen und Ärzte, 55 Pflegekräfte und drei Psychologinnen betreuen und behandeln rund um die Uhr auf 27 Intensiv- und Intermediatecare-Betten diese kleinsten Patienten. Hinzukommen Mitarbeiter aus der Milchküche, der Elternberatung und natürlich auch aus der sozialmedizinischen Nachsorge. Bei all den medizinischen Details ist eins natürlich ganz wichtig: die Eltern. „Wir beziehen die Eltern nicht nur ein, wir brauchen sie“, sagt Professor Proquitté. „Je mehr Verantwortung sie übernehmen und je sicherer sie im Umgang mit ihrem frühgeborenen Kind sind, umso frühzeitiger können wir ihre Kinder nach Hause entlassen.“ So gibt es selbstverständlich Elternzimmer. In vielen Zimmern ist die Mitunterbringung der Mütter bei ihren Kindern möglich. Eltern beziehungsweise die Familien können zudem im Ronald-McDonald-Haus in Jena untergebracht werden. Wie zufrieden die Eltern der kleinsten Patienten mit der Arbeit auf der Station sind, zeigte sich in diesem Jahr unter anderem mit der Wahl der Neonatologischen Intensivstation zu Thüringens beliebtesten Pflegeprofis. Nominiert dafür wurde das Team von Eltern, was die Anerkennung und das große Vertrauen in die Arbeit der Mitarbeiter der Sektion widerspiegelt. „Vielen Dank, dieses Vertrauen ehrt uns sehr“, freut sich Proquitté.