Jena (UKJ/as). Dass etwas nicht stimmt, nimmt Mariusz Tarnawski erstmals richtig wahr, als er morgens alles nur noch verschwommen sieht. „Am Tag vorher konnte ich noch sehen wie ein Adler“, sagt der heute 33-Jährige. Sein Augenarzt stellt die Vermutung an, dass die Beschwerden mit einer Erkrankung der Nieren in Zusammenhang stehen könnten. Die dann folgenden Tests bringen Gewissheit: Die Funktion seiner Nieren ist bereits stark eingeschränkt.
Anfang 2012 wird der bis dahin sportliche junge Mann dialysepflichtig. Maschinen übernehmen ab sofort drei Mal in der Woche die Reinigung seines Blutes. „Unzureichend behandelter Diabetes oder Bluthochdruck können eine Ursache dafür sein, dass die Nierenfunktion abnimmt“, so Dr. Susan Foller, leitende Oberärztin an der Klinik für Urologie am Universitätsklinikum Jena (UKJ). Aber auch entzündliche Erkrankungen, Nierensteine oder erbliche Erkrankungen wie Zystennieren können zum Nierenversagen führen. All dies trifft bei Mariusz Tarnawski nicht zu. Eine klare Ursache finden seine Ärzte nicht.
Doch der Plauener scheint Glück zu haben: Sein Vater kommt als Spender in Frage. Bereits im August 2012 wird Mariusz Tarnawski eine Niere transplantiert. Das gespendete Organ pflanzen die Ärzte in seinen Unterbauch, seine eigenen Nieren bleiben an Ort und Stelle. „Nur in einigen Fällen – zum Beispiel, wenn Zystennieren zu viel Platz in Anspruch nehmen, chronische Infektionen oder Steine oder Tumorverdacht bestehen – wäre es notwendig, die eigenen Nieren zu entfernen“, so Dr. Foller. Mariusz Tarnawski kann sich nach der Transplantation wieder belasten, sogar arbeiten.
Nach nur drei Jahren kommt der Rückschlag: Sein Körper stößt die gespendete Niere ab. Wieder bestimmt die Dialyse seinen Alltag. Hinzu kommt, dass sein Blutdruck – trotz Medikamenten – stark steigt. „Ein kontrollierter Blutdruck ist jedoch eine von vielen Voraussetzungen dafür, dass der Patient wieder auf die Warteliste für ein Spenderorgan kommen kann“, so die Oberärztin. Denn ein zu hoher Blutdruck bringt Risiken während der Operation mit sich und könnte auch unmittelbar nach der Transplantation das neue Organ schädigen. Die Ursache für den hohen Blutdruck liegt bei Mariusz Tarnawski in den kranken Nieren, die nicht mehr in der Lage sind – wie gesunde Nieren – den Blutdruck zu regulieren. Innerhalb weniger Monate werden ihm am UKJ daher drei Nieren entfernt: Im Dezember 2018 das gespendete Organ, im Februar die erste eigene Niere, im April die zweite.
Mariusz Tarnawski gehört zu den ersten Patienten, bei denen die funktionslosen eigenen Nieren mit einem hochmodernen minimalinvasiven Operationsverfahren entfernt wurden. Eingriffe, bei denen auf große Schnitte verzichtet wird, sind seit Jahren Standard in der Klinik für Urologie. Neu ist nun, dass dabei eine HD-3D-Kamera zum Einsatz kommt. „Als eine von wenigen Kliniken in Mitteldeutschland verwenden wir diese weiterentwickelte Methode der konservativen Laparoskopie, ‚EndoEye‘ genannt“, so Prof. Marc-Oliver Grimm, Direktor der Klinik für Urologie am UKJ.
Der Kamerakopf ist äußerst flexibel, lässt sich in vier Richtungen bis zu 100 Grad abwinkeln. Sowohl die Frosch- als auch die Vogelperspektive sind für den Operateur möglich. „Die optimale räumliche Wahrnehmung während der Operation hilft sehr und bedeutet einen großen Sprung nach vorn“, so Oberärztin Foller. Durch die Flexibilität der Kamera ist nur ein einziger Zugang, ein sogenannter Single-Port für den Eingriff notwendig. Den rund fünf Zentimeter kleinen Schnitt setzen die Ärzte in die Nähe des Nabels. Da hier keine Muskelstränge verlaufen, haben die Patienten nach dem Eingriff kaum Beschwerden.
Schnell ist auch Mariusz Tarnawski wieder auf den Beinen. Nur ein kleines Pflaster erinnert noch an den Eingriff. Viel wichtiger ist für ihn aber, dass sich sein Blutdruck wieder in gesünderen Regionen bewegt. Damit kann er auf die Warteliste für eine Organtransplantation aufgenommen werden – und wieder auf eine neue Niere hoffen.
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