Jena (UKJ/as). Menschen muslimischen Glaubens essen kein Schweinefleisch. Dieser Grundsatz ist vielen bekannt. Dass sich hinter dem arabischen Wort „halal“ – also nach islamischem Glauben „erlaubt“ – jedoch viel komplexere Speisevorschriften verbergen, wissen viele Nicht-Muslime hingegen nicht. Dr. Aysun Tekbaș, Ärztin in der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Gefäßchirurgie, achtet bei ihrer eigenen Ernährung aus religiösen Gründen sehr genau auf die Inhaltsstoffe. „Dass muslimische Patienten im Klinikum in der Vergangenheit beispielsweise oft Joghurt mit Gelatine erhalten haben, hat mich schon lange gestört“, so Dr. Tekbaș. Gelatine ist ein Stoffgemisch aus geschmacksneutralen tierischen Proteinen – Produkte von nicht geschächteten Tieren werden von vielen Muslimen jedoch als nicht „halal“ eingestuft. Da das Schächten in Deutschland nicht praktiziert wird und somit „halal“ Fleisch nicht einfach zu finden ist, weichen viele Muslime auf vegetarische Kost oder Fischgerichte aus, da diese in jedem Fall „halal“ sind.
Dass muslimische Patienten im Klinikum einfach auf die vegetarische Speisekarte zurückgreifen, funktioniert jedoch auch nur bedingt. Zu den nicht-erlaubten Produkten zählt nämlich auch Alkohol, der nicht selten in Marinaden und Dressings zum Beispiel in Form von Branntweinessig zu finden ist. In Deutschland geborene oder seit langem hier lebende Muslime wissen, dass sie bei vielen Produkten genau nach den Inhaltsstoffen schauen müssen. „Neu nach Deutschland Zugezogene wissen dies oft nicht. Sie gehen davon aus, dass das Essen, das sie erhalten, zu ihren religiösen Vorschriften passt“, so Dr. Tekbaș. Aus ihren Heimatländern seien sie es gewohnt, dass die angebotenen Lebensmittel meist „halal“ sind. So kommt es vor, dass Patienten muslimischen Glaubens nicht merken oder nicht verstehen, was in den Speisen enthalten ist, oder sich nicht trauen danach zu fragen, um keine Aufmerksamkeit zu erregen.
Im vergangenen Jahr ist Dr. Tekbaș daher auf Cornelia Luckner zugegangen, die am UKJ den Bereich Verpflegungsmanagement leitet. Ihre Anregung, einen „halal“-Speiseplan aufzustellen, sei sofort offen aufgenommen worden. Die leitende Diätassistentin Jana Serzisko hat die Inhaltsstoffe der bisher angebotenen Speisen sehr genau unter die Lupe genommen, Dr. Tekbaș hat sich auf theologischer Seite informiert – denn was in die „halal“-Kategorie fällt, ist nicht allgemeingültig festgelegt, sondern wird von islamischen Rechtsgelehrten zum Teil unterschiedlich ausgelegt. „So standen wir in einem sehr regen Austausch“, beschreibt Serzisko.
Einige Produkte schieden aus, weil enthaltene Speisefettsäuren tierisch sein können. Ein anderes Problem: Für die bessere Haltbarkeit wird die Schale von gekochten Eiern von Lebensmittelherstellern mit Schellack überzogen. Dieses wird aus den Ausscheidungen der Lackschildlaus nach ihrem Saugen an bestimmten Pflanzen gewonnen – und ist somit ein tierisches Produkt. Ein ganzer Ordner mit Unterlagen ist so zusammengekommen. Sabine Kaßner, Qualitätsmanagementbeauftragte in der Zentralküche, hat schließlich einen „halal“-Speiseplan für vier Wochen zusammengestellt. Einige Komponenten aus bisherigen Menüs wurden dafür anders zusammengestellt, einige mussten weggelassen werden. „Da sich bei den chirurgischen Patienten die Kostform häufig ändert, haben wir die Speisekarte an deren Bedürfnisse angepasst“, so Dr. Tekbaș. So werden jeden Tag auch drei verschiedene „halal“-Kostformen angeboten: Flüssigkost, leichte Kost und Vollkost. Außerdem gibt es Kost, die für transplantierte Patienten abgestimmt ist (LTx Halal). Insgesamt gibt es am UKJ bereits mehr als 80 verschiedene Kostformen. Dass neue hinzukommen, sei nichts Ungewöhnliches, so Serzisko. Neben der „halal“-Kost ist kürzlich beispielsweise auch eine calciumreiche Kost speziell für Patienten mit Osteoporose neu ins Angebot aufgenommen worden.
„Mir war wichtig, dass es vor allem für das Pflegepersonal einfacher wird“, begründet Dr. Tekbaș ihr Engagement. Schwestern und Pfleger können nun mit einem Klick im Bestellsystem „halal“ auswählen und sicher gehen, dass gläubige Muslime jeden Tag die für sie richtigen Speisen erhalten. Die Religionszugehörigkeit wird bei der Aufnahme erfragt und kann auf Wunsch des Patienten in der Akte eingetragen werden. Das erleichtert allen Beteiligten die Arbeit und steigert zudem das Wohlbefinden der Patienten, so die Hoffnung von Dr. Tekbaș.