Jena (UKJ/as). Magnetresonanztomographie, kurz MRT, gab es noch gar nicht, als Prof. Ulrich Brandl seine medizinische Karriere begann. Die bildgebenden Methoden zusammen mit der Molekulargenetik waren dann die großen Motoren, die „seiner“ Neuropädiatrie zu einem Aufschwung verhalfen. Nach beinahe 25 Jahren am Universitätsklinikum Jena (UKJ) hat sich Prof. Brandl jetzt in den Ruhestand verabschiedet und die Klinikleitung an seinen Nachfolger, Professor Peter Huppke, übergeben.
Schon als Schüler fasziniert vom Gehirn und dem menschlichen Geist entschloss sich Ulrich Brandl früh, in den Bereich der Hirnforschung zu gehen. „Da es zum damaligen Zeitpunkt noch keine Studiengänge zu Neurowissenschaften gab, war das Medizinstudium der Einstieg“, so Brandl, der in Erlangen neben der Medizin auch Psychologie studierte. Eigentlich hieß das nächste berufliche Ziel dann „Neurologe“, doch durch ein Forschungsprojekt in der Kinderklinik fiel die Entscheidung zugunsten der Neuropädiatrie. 1987 wurde er Facharzt für Kinderheilkunde, ein Jahr später folgte die Habilitation. 1989 nahm er eine C3-Professur an der Freien Universität Berlin für das Fach Kinderheilkunde mit dem Schwerpunkt Neurologie an.
In Jena gehörten die Neuropädiatrie und die Kinder- und Jugendpsychiatrie zu DDR-Zeiten noch zusammen. Erst nach der Wende entstand eine eigene Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie am Steiger, die Neuropädiatrie blieb als Abteilung der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin auf dem Areal am Westbahnhof. Als Ulrich Brandl 1996 hier als Universitätsprofessor die Leitung übernahm, zählten gerade fünf Ärzte zur Abteilung, die über eine Station und eine kleine Ambulanz verfügte.
Eine einschneidende Veränderung brachte die Gründung des Sozialpädiatrischen Zentrums 2002 mit sich. „Kinder mit einer neuropädiatrischen Grunderkrankung konnten wir in diesem Zentrum nun wesentlich besser versorgen“, so Prof. Brandl. Die Versorgung konnte weit über das Medizinische hinausgehen. Experten verschiedener Disziplinen kamen dazu, betreuten Kinder und Eltern psychologisch, integrierten pädagogische Maßnahmen. Das Team wuchs deutlich und kümmert sich heute jedes Jahr um rund 2000 Patienten aus ganz Thüringen, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Nord-Bayern.
Dass die molekulargenetische Diagnostik in der klinischen Routine einmal eine Rolle spielen würde, war angesichts des Zeitaufwands und der Kosten für die Gensequenzierung in den Anfangsjahren überhaupt nicht vorstellbar. Mittlerweile hat sich die Molekulargenetik zur Gentherapie weiterentwickelt und die Diagnosen werden dank moderner genetischer Methoden immer präziser. „Wir haben es im Grunde mit lauter seltenen Erkrankungen zu tun“, so Prof. Brandl. Zusammen mit Prof. Christian Hübner vom Institut für Humangenetik leitete Brandl daher auch das seit 2014 bestehende Zentrum für seltene Erkrankungen in Jena. Einige Patienten begleitete er vom ersten Lebensjahr an bis ins Erwachsenenalter. Weil eine adäquate Anlaufstelle nach dem Jugendalter jedoch fehlt, brachte sich Prof. Brandl in die Planungen für ein medizinisches Zentrum für Menschen mit Behinderungen ein, das demnächst in Jena entstehen wird.
Das Thema der Epilepsien hat Prof. Brandl als Wissenschaftler nie losgelassen. Seit seiner Habilitation zur topografischen EEG-Analyse bei Epilepsien im Kindesalter folgten zahlreiche klinische Studien zu Einsatz und Wirkungsweise von Antiepileptika. Er war Präsident der Gesellschaft für Epileptologie und richtete 2016 deren Jahrestagung in Jena aus. Die Ärzte-Liste des Magazins Focus listet Prof. Brandl seit fünf Jahren als Top-Mediziner für Epilepsien in Deutschland auf.
„Eine gute ethische Bewertung medizinischer Forschungsvorhaben halte ich für eine wesentliche gesellschaftliche Aufgabe“, so Prof. Brandl, der sich viele Jahre in der Ethik-Kommission engagiert hat, seit 2014 als deren Vorsitzender. Eine weitere Herzensangelegenheit war ihm die Ausbildung. Als Koordinator für die Lehre im Bereich der Kinderheilkunde führte er in Jena neue Lehrmethoden wie den so genannten Problem-Orientierten Unterricht ein und baute das Training für Dozenten aus. Bei Fortbildungen möchte Prof. Brandl auch in Zukunft sein Wissen weitergeben. Doch er freut sich auch darauf, nun Zeit für seine Leidenschaft, die Fotografie, und seine beiden Enkelkinder zu haben.