Jena (vdG/UKJ). Es ist die Vielseitigkeit, die Tanja Groten an der Frauenheilkunde und besonders der Geburtsmedizin schätzt: „Da ist alles drin, wir kümmern uns um gesunde Frauen, um Schwangere mit chronischen Erkrankungen und um Patientinnen, die in der Schwangerschaft erkranken. Dabei nutzen wir viele medizinische Teilgebiete, wie zum Beispiel Endokrinologie und Kardiologie oder die Gefäßambulanz“, so die neu ernannte Professorin für Geburtsmedizin und maternale Gesundheit am Universitätsklinikum Jena. Die an der Klinik für Geburtsmedizin neu eingerichtete Professur widmet sich neben der allgemeinen Geburtshilfe vor allem den Patientinnen unter den Schwangeren.
Die Oberärztin und stellvertretende Klinikdirektorin ist nicht nur Gynäkologin, sondern auch Diabetologin und leitet das Kompetenzzentrum Diabetes und Schwangerschaft am UKJ. In ihm kümmert sich ein interdisziplinäres Team um schwangere Diabetikerinnen und um Frauen, deren Zuckerstoffwechsel in der Schwangerschaft aus den Fugen gerät. Ein solcher Gestationsdiabetes tritt in fast jeder zehnten Schwangerschaft auf; die Hälfte der Schwangeren mit Zuckerstoffwechselstörung entwickelt später auch einen Typ-2-Diabetes. „Dieses Risiko kann durch eine gute Behandlung und Beratung in der Schwangerschaft und in den Jahren danach gesenkt werden. Deshalb geht es uns nicht nur um die Behandlung des Gestationsdiabetes mit dem Ziel, die Kinder vor den Folgen des „zu viel“ an Zucker im Mutterleib zu schützen, sondern auch um die langfristige Nachsorge für die Mütter, die wir mit den Hausärzten gemeinsam etablieren wollen“, betont Tanja Groten.
Ihr wissenschaftlicher Schwerpunkt liegt auf der Erforschung und besseren Behandlung von Schwangerschaftskomplikationen, die mit einer gestörten Funktion der Plazenta in Zusammenhang stehen. Eine Unterfunktion der Plazenta kann zu einer Mangelversorgung und verlangsamten Entwicklung des Kindes führen. Manchmal ist eine solche Minderdurchblutung der Plazenta von erhöhtem Blutdruck und Gefäßproblemen bei der Mutter begleitet, was in die Schwangerschaftserkrankung Präeklampsie münden kann. „Wir vermuten, dass die Kommunikation zwischen der Plazenta und dem Endothel der Mutter auf molekularer Ebene gestört ist“, so Tanja Groten. Mit ihrer Arbeitsgruppe im Plazentalabor untersucht sie die Funktion des Gewebes in den mütterlichen Gefäßen. Neue Forschungsprojekte zur Analyse von Altersmakern in der Plazenta oder den Alternsprozessen des Endothels stehen in den Startlöchern.
Kürzlich konnte sie eine große, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte klinische Studie zur vorbeugenden medikamentösen Behandlung von Risikoschwangeren mit einer Unterfunktion der Plazenta abschließen. Noch vor der Veröffentlichung der Ergebnisse plant Prof. Groten die Folgeuntersuchung in ihrer Studiensprechstunde: „Wir wissen, dass das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen nach einer Präeklampsie erhöht ist. Deshalb wollen wir die Gefäßfunktion dieser Patientinnen langfristig nachuntersuchen, um den Einfluss der Schwangerschaft auf die Gefäßalterung besser zu verstehen.“
Neben der Erforschung der Krankheitsmechanismen möchte Tanja Groten auch die langfristige Betreuung und Nachsorge von Müttern mit Präeklampsie und verzögertem Wachstum des Babys verbessern. Diese Frauen erkranken überdurchschnittlich oft an Herzinfarkt oder Schlaganfall, und das bereits in den ersten 20 Jahren nach der Schwangerschaft. Für sie gibt es bisher keine etablierten Nachsorgeprogramme, obwohl sie seit längerem als Risikokollektiv erkannt sind. „Hier liegt mir der Aufbau einer Struktur für die individualisierte Nachsorge in Zusammenarbeit mit unseren Kardiologen sehr am Herzen!“, so Prof. Groten.
Die Medizinerin wechselte nach dem Studium und der Promotion in ihrer Geburtsstadt Aachen an die Universitätsfrauenklinik Ulm und absolvierte dort die Weiterbildung zur Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe. Sie forschte mit einem DFG-Stipendium zwei Jahre an der Northwestern University Chicago und als Gastwissenschaftlerin an der Medizinischen Universität Graz. Seit 2008 arbeitet Tanja Groten am UKJ und habilitierte sich hier mit ihren grundlagenwissenschaftlichen Arbeiten zu den plazentaren Ursachen von Schwangerschaftskomplikationen. Sie arbeitet in den Gleichstellungsgremien von Fakultät und Klinikum mit und engagiert sich in wissenschaftlichen und berufspolitischen Einrichtungen der medizinischen Fachgesellschaften. Wegen des attraktiven Forschungsumfelds an der Jenaer Unigeburtsmedizin lehnte sie für die Professur den Ruf auf einen Lehrstuhl an der Uni Bonn ab.
Dass die Frauenheilkunde und Geburtsmedizin mit Vorlesung, Hands-on-Kursen und Praktika erst im neunten Semester des Medizinstudiums verankert ist, bedauert Tanja Groten. „Oft haben sich die Studierenden dann schon für ein Wahlfach entschieden.“ Sie möchte die Vielseitigkeit ihres Faches nutzen, um z.B. in themenübergreifenden Lehrangeboten schon früherer Semester dafür zu werben. Dabei ist ihr wichtig, dass es als Perinatalmedizin, also Geburtsmedizin zusammen mit der Neonatalogie als gemeinsames Fach verstanden wird. Prof. Groten ist sich sicher, Studierende von der Attraktivität ihres Fachgebiets überzeugen zu können: „Für uns stehen die werdende Mutter und ihr Kind im Mittelpunkt. Wir wollen Risiken abmildern, die aus bestehenden oder durch die Schwangerschaft auftretenden gesundheitlichen Probleme resultieren, und den Verlauf positiv beeinflussen – um für Mutter und Kind besten Start ins gemeinsame Leben ermöglichen.“
Kontakt:
Prof. Dr. Tanja Groten
Klinik für Geburtsmedizin, Universitätsklinikum Jena
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