Jena (vdG/UKJ). Bei vielen Kindern und Jugendlichen sind neurologische Beschwerden wie Kopfschmerzen oder Fieberkrämpfe und Auffälligkeiten in der körperlichen und geistigen Entwicklung der Grund für den Besuch in der Kinderarztpraxis. Meistens können die Kinderärzte die Eltern beruhigen und, wenn nötig, eine Behandlung einleiten. Wenn aber das heranreifende Nervensystem von einer akuten oder chronischen Erkrankung betroffen ist und dadurch die Entwicklung von Gehirn, Rückenmark, Nerven oder Muskeln gestört wird, sind die Spezialisten der Kinderneurologie, die auch als Neuropädiatrie bezeichnet wird, Ansprechpartner für die Familien.
Professor Peter Huppke kennt die Probleme der Eltern neurologisch kranker Kinder: „Meist ist es schon eine riesige Hilfe, wenn eine Diagnose gestellt wird. Damit endet für die Familien eine mitunter lange Suche, die oft auch von Selbstvorwürfen begleitet ist, sich in der Schwangerschaft oder frühen Elternschaft falsch verhalten zu haben.“ Der 53-jährige Kinderneurologe hat die Professur für Neuropädiatrie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena angenommen und leitet seit April die Klinik für Neuropädiatrie am Jenaer Universitätsklinikum. Das interdisziplinäre Team ist hochspezialisiert und nutzt für die Diagnosestellung neben der sorgfältigen Anamnese und körperlichen Untersuchung verschiedenste Laboruntersuchungen, neurophysiologische Funktionsmessungen, Bildgebung und kognitive Tests. Eine immer wichtigere Rolle spielen dabei genetische Untersuchungen. „Durch die Exomsequenzierung, also die Analyse aller Gene, die Informationen für die Proteinproduktion enthalten, lassen sich ursächliche genetische Veränderungen bei der Mehrzahl der Kinder finden“, so Peter Huppke.
Behandlungsteam mit Spezialisten vieler Disziplinen
Bei vielen Patienten führt eine multidisziplinäre Therapie durch ein Spezialistenteam aus den Bereichen Krankengymnastik, Psychologie, Logopädie, Ergotherapie und Neuropädiatrie zu einer Besserung der Beschwerden. Aber auch die medikamentöse Therapie macht in der Neuropädiatrie große Fortschritte. So können Patienten mit kindlicher Multipler Sklerose, einem Spezialgebiet von Prof. Huppke, die noch vor 15 Jahren von früher Behinderung bedroht waren, heute ein normales Leben führen. Mit Genersatztherapien wird es zunehmend möglich, auch seltene genetische Erkrankungen zu heilen. „Dazu müssen wir aber den Krankheitsmechanismus genau kennen“, betont Prof. Huppke. Die Beschreibung neuer Erkrankungen, die Untersuchung der zugrundeliegenden Krankheitsmechanismen und die Entwicklung von Therapien sollen im Zentrum seiner Forschung in Jena stehen.
Nach seinem Medizinstudium in Göttingen absolvierte Prof. Huppke in der Universitätsmedizin Göttingen die Facharztausbildung für Kinderheilkunde und Jugendmedizin und die Weiterbildung für den Schwerpunkt Neuropädiatrie. Er arbeitete als Oberarzt im Zentrum Kinderheilkunde und Jugendmedizin Göttingen, das auf dem Gebiet der Kinderneurologie besonders ausgewiesen ist. In der Forschung stand lange das Rett-Syndrom, eine schwere neurologischen Entwicklungsstörung, die nur bei Mädchen vorkommt, im Mittelpunkt. Die Arbeiten zu dem klinischen Verlauf, der Krankheitsursachen und der Therapie waren die Grundlage für seine Habilitation. Weitere Forschungsschwerpunkte sind die seltenen neurologischen Erkrankungen und die entzündlichen Erkrankungen des Nervensystems.
Als eigenständiges medizinisches Fach, das Kinderheilkunde und Neurowissenschaften verbindet, hatte sich die Neuropädiatrie erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts herausgebildet. Sie stellt besonders komplexe Versorgungsanforderungen, weil medizinische, psychologische und soziale Aspekte von Erkrankungen und eventuellen Behinderungen berücksichtigt werden müssen. Früherkennung und Vorsorge spielen eine zentrale Rolle. „Unser Team aus Ärzten, Psychologen und therapeutischen Fachkräften koordiniert im Sozialpädiatrischen Zentrum die ambulante, stationäre und rehabilitative Behandlung. Im Mittelpunkt steht dabei immer die Lebensqualität unserer Patienten und ihrer Familien“, so Professor Huppke.
Kontakt:
Prof. Dr. Peter Huppke
Klinik für Neuropädiatrie, Universitätsklinikum Jena
Tel: 03641/9 329651
E-Mail: Peter.Huppke@med.uni-jena.de