Jena (UKJ/ac). Unterschiedliche Piepsignale ertönen von den medizinischen Geräten auf der Intensivstation am UKJ. Pfleger und Ärzte in Schutzkitteln, mit Brillen und Handschuhen tauschen sich ruhig über die Patienten aus. Mittendrin: Chris Lüneburg und Ulrike Mohring vom Institut für Physiotherapie. Sie sind zwei Physiotherapeuten des vierköpfigen, physiotherapeutischen COVID-Teams, das seit Oktober 2020 besteht. Gemeinsam mit einem weiteren Physio- und einem Ergotherapeuten betreuen sie seitdem die Corona-Patienten des UKJ.
Zu Beginn jedes Arbeitstages besprechen die beiden zunächst mit den Pflegern und Ärzten auf Station den aktuellen Zustand der Patienten. Denn allein dieser entscheidet, welche Therapie sie an diesem Tag anwenden. „Gerade hier auf Intensivstation müssen wir unsere Pläne immer spontan anpassen können. Geht es dem Patienten an einem Tag gut und er kann ein paar Schritte gehen, kann das am nächsten Tag schon wieder ganz anders aussehen“, weiß Chris Lüneburg. „Deshalb sind enge Abstimmungen im interdisziplinären Team sehr wichtig.“
Der Blick im Patientenzimmer ist dann nicht nur auf den Patienten gerichtet, sondern auch auf die technischen Geräte. Sind die Werte auf dem Überwachungsmonitor in Ordnung? Wird der Patient künstlich ernährt? Ist der Beatmungsschlauch lang genug, damit sich der Patient setzen kann? „Erfahrung ist hier das A und O“, sagt Ulrike Mohring, die bereits seit mehr als zehn Jahren ausschließlich auf der Intensivstation als Physiotherapeutin arbeitet. „Eine gezielte Einarbeitung und gute Teamarbeit geben zusätzliche Sicherheit.“ Prinzipiell arbeiten die Physiotherapeuten daher im Zweierteam. Beispielsweise wenn sie die Gelenke von Patienten durchbewegen, die länger ohne Bewusstsein sind. Oder wenn sie mithilfe gezielter Grifftechniken Sekret in der Lunge des Patienten lösen, um die Atmung zu vertiefen. Je nach Therapie unterstützen Pfleger, Ärzte und auch Kardiotechniker sie beispielsweise bei der Lagerung der Patienten oder beim Aufstellen mithilfe eines sogenannten Stehbretts. „Auch, wenn wir einen Patienten, der durch eine ECMO-Therapie unterstützt wird, im Bett aufsetzen wollen, müssen viele mit anpacken. Ein Pfleger hält den Beatmungsschlauch, ein Techniker die verschiedenen Kabel, ein Therapeut setzt den Patienten auf und ein weiterer stützt ihn von hinten“, beschreibt Lüneburg. „Das klingt nicht nur aufwendig. Das ist es auch. Und benötigt viel Zeit.“ Bis zu einer Stunde kann eine solche Therapie dauern.
Während die Physiotherapeuten bei Intensiv-Patienten nach Herzinfarkt, Schlaganfall oder Herztransplantation vor allem die Kondition wieder trainieren müssen, ist der Schwerpunkt bei Corona-Patienten ein anderer. „Patienten mit COVID-19 sind oft überfordert mit ihrer Situation. Sie waren körperlich fit und befinden sich nun ganz plötzlich mit Atemproblemen auf einer Intensivstation“, beschreibt Mohring. „Deshalb können wir nicht gleich mit der eigentlichen Therapie beginnen. In vielen Gesprächen versuchen wir, ihnen ihre Ängste zu nehmen. Das beruhigt die Atmung und die Psyche gleichzeitig.“ Unterstützt werden sie dabei durch Psychologin Dr. Teresa Deffner. Sie lässt dank Telefon und Video auch die Angehörigen der Patienten an den Therapieerfolgen teilhaben. „Das motiviert sie dann gleich noch mehr“, weiß Mohring.
Die Arbeit auf einer Intensivstation ist anstrengend – nicht nur körperlich, sondern auch psychisch. „Wir müssen auch im Notfall schnell reagieren, wenn sich der Gesundheitszustand des Patienten ändert“, so Lüneburg. „Kein Job für jedermann.“ Die beiden Physiotherapeuten arbeiten dennoch sehr gern genau in diesem Bereich. „Denn die Bindung zu den Intensiv-Patienten ist viel stärker als beispielsweise auf der Normalstation“, berichtet Mohring aus Erfahrung. „Man kämpft gemeinsam für jeden Therapieerfolg, egal wie klein oder groß.“ Und wenn ein Patient nach Wochen das erste Mal mit einem Sprachaufsatz wieder sprechen kann, dann kullern bei Patienten und Therapeuten auch schon zusammen die Freudentränen.
Physiotherapie auf der Intensivstation
Patienten werden oft über einen längeren Zeitraum auf der Intensivstation behandelt – liegend und meist, ohne Arme und Beine bewegen zu können. Dies kann erhebliche Schwierigkeiten mit sich bringen: Schon nach wenigen Tagen verlieren die Patienten an Kraft, die sie nur mühsam wieder zurückgewinnen können. Außerdem kann ein Delir auftreten, ein anhaltender Verwirrtheitszustand. „Eine Frührehabilitation kann diesen Komplikationen entgegenwirken“, weiß PD Dr. Norman Best, kommissarischer Direktor am Institut für Physiotherapie. „Sie verbessert den körperlichen Zustand der Patienten und kann die Dauer der künstlichen Beatmung und die allgemeine Aufenthaltsdauer auf der Intensivstation verkürzen.“ Zwei zentrale Elemente davon sind die Atemtherapie und die Mobilisierung.
Atemtherapie: Physiotherapie kann die Atemwege von Sekret befreien und die Lunge gut durchlüften. Das verbessert zum einen die Sauerstoffzufuhr und zum anderen beugt es Lungenentzündungen vor. Dazu können Physiotherapeuten sowohl manuelle Techniken als auch verschiedene Hilfsmittel wie Einatemtrainer einsetzen.
Mobilisierung: Die Physiotherapeuten bewegen täglich Beine, Arme und den Nacken der medikamentös sedierten Patienten. Sobald die Patienten wacher werden, machen sie aktiv bei den verschiedenen Übungen mit. Sind die Vitalwerte des Patienten stabil, kann die Mobilisation zum Sitzen, Stehen oder Gehen ausgeweitet werden.