Jena (ukj/ac). Patienten mit einer einseitigen Gesichtslähmung, einer so genannten Fazialisparese, sind nicht nur in der Beweglichkeit einer Gesichtsseite, beim Sprechen oder Essen eingeschränkt. Die Betroffenen können auch in ihrer nonverbalen Kommunikation mit dem Gesicht beeinträchtigt sein. Wie genau sich die Gesichtslähmung auf das Erkennen von Emotionen auswirkt, untersucht Anna-Maria Kuttenreich in ihrer Promotion am Fazialis-Nerv-Zentrum des Universitätsklinikums Jena (UKJ) in Kooperation mit der RWTH Aachen University. Die Logopädin betrachtet in ihrer Studie sowohl Patienten mit Gesichtslähmung, beispielsweise nach Verletzungen oder Entzündungen des Gesichtsnervs, als auch gesunde Kontrollpersonen ohne Gesichtslähmung. Dafür werden aktuell gesunde Teilnehmer ohne Fazialisparese zwischen 19 und 72 Jahren gesucht – wer teilnehmen möchte, kann sich unter melden.
In der Untersuchung bereitet Kuttenreich gemeinsam mit ihren Promotionsbetreuern PD Dr. Gerd Fabian Volk, Oberarzt an der Jenaer HNO-Klinik und Leiter des Fazialis-Nerv-Zentrums, und Prof. Dr. Stefan Heim von der RWTH Aachen University zwei Szenarien vor. „Zunächst bitten wir unsere Teilnehmer darum, Emotionen von Gesichtern mithilfe von Fotos einzuschätzen. Anschließend sollen Gefühle von Personen in Audiodateien beurteilt werden“, beschreibt Kuttenreich. In der Auswertung vergleicht sie die Ergebnisse mit bereits erhobenen Daten von Patienten mit Fazialisparese nach Schlaganfall und gesunden Kontrollpersonen.
„Mit dieser Studie möchten wir besser verstehen, ob ein Defizit beim Erkennen von Emotionen vorliegt. Im nächsten Schritt sprechen wir eine Empfehlung zur Therapie der Emotionserkennung aus, um die Versorgung der Patienten mit Fazialisparese zu optimieren“, beschreibt Kuttenreich. „Gleichzeitig prüfen wir, welche Auswirkungen das Therapieangebot am Fazialis-Nerv-Zentrum, neben den bereits bekannten positiven Effekten, auf die Emotionserkennung haben kann“, ergänzt PD Dr. Volk. Im seit 2012 bestehenden Fazialis-Nerv-Zentrum am UKJ erhalten Betroffene ein Biofeedback-gestütztes Fazialis-Parese-Training, um Bewegungen mit dem Gesicht besser umsetzen zu können. Das Training kombiniert Bewegungsübungen mit simultanen Aufzeichnungen der elektrischen Aktivität der Gesichtsmuskeln.
Mit ihrer aktuellen Studie setzt die Logopädin Kuttenreich ihre bisherige Forschung zu Fazialisparesen fort. Zuletzt fertigte sie im Rahmen ihres Studiums der Lehr- und Forschungslogopädie an der RWTH Aachen University ihre Masterarbeit zum Thema Fazialisparesen an. In dieser Arbeit untersuchte sie die Auswirkungen einer Fazialisparese auf die Emotionserkennung von Patienten, die einen Schlaganfall erlitten. Ihre Erkenntnisse: Patienten nach Schlaganfall mit Gesichtslähmung zeigten signifikant mehr Defizite in der Genauigkeit der Emotionserkennung über Gesichter als Patienten nach Schlaganfall ohne Gesichtslähmung. Deshalb sollten diese Patienten künftig standardmäßig eine logopädische Untersuchung der Emotionserkennung erhalten. Für ihre Masterarbeit erhielt Kuttenreich den Friedrich-Wilhelm-Preis 2020 der Friedrich-Wilhelm-Stiftung.
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Anna-Maria Kuttenreich
Logopädin, Lehr- und Forschungslogopädin, M.Sc.
Fazialis-Nerv-Zentrum Jena an der Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde am Universitätsklinikum Jena