Jena (UKJ/kbo). Als die hochschwangere Therese nachts um 2.30 Uhr aufwacht, bemerkt sie, dass sie Fruchtwasser verloren hat. Wehen hat sie noch nicht. Mediziner sprechen dann von einem vorzeitigen Blasensprung. Er betrifft etwa acht bis zehn Prozent aller Schwangerschaften. Weil ein Blasensprung in der Regel ein Zeichen ist, dass die Geburt losgeht, begibt sich Therese zusammen mit ihrem Partner in die Klinik für Geburtsmedizin des Uniklinikums Jena (UKJ). Dort nehmen die Hebammen Blut ab, checken die Herztöne des Kindes und das Ärzteteam macht einen Ultraschall. Es ist alles gut. Die Geburt geht auch noch nicht los. Therese darf wieder nach Hause. Das ist neu, denn bislang bedeutete ein vorzeitiger Blasensprung: stationärer Aufenthalt bis zur Geburt. Die Jenaer Geburtsklinik hat seit Anfang des Jahres eine ambulante Betreuung beim vorzeitigen Blasensprung ab der 37. Schwangerschaftswoche eingeführt – mit Erfolg, denn über zwei Drittel der Mütter bekamen von alleine Wehen. Vor allem aber trägt es zu einem entspannten Geburtserlebnis für die Frauen bei, wenn sie vorab nicht stationär in der Klinik bleiben müssen.
„Wir möchten, dass die werdenden Mütter so viel Zeit wie möglich in ihrer gewohnten Umgebung zuhause verbringen können. Denn wenn sich die Frauen wohlfühlen, hat das einen positiven Einfluss auf die Geburt und fördert zudem den natürlichen Geburtsprozess“, erläutert Dr. Friederike Weschenfelder, Oberärztin in der Jenaer Geburtsmedizin. Genau so war es bei Therese. Sie war froh, trotz Blasensprung erst einmal wieder nach Hause gehen zu können, denn auf einen Geburtsstart war das Paar in der 38. Schwangerschaftswoche noch gar nicht so richtig vorbereitet. Die Möglichkeit noch einmal nach Hause zu gehen, kam für das Paar zwar überraschend, dennoch haben sie das Angebot sehr gern angenommen. „So konnte ich noch ein wenig schlafen, entspannt duschen und gemeinsame Zeit mit meinem Partner in den eigenen vier Wänden verbringen“, berichtet Therese. „In der Regel entwickeln die Schwangeren nach dem Blasensprung von alleine Wehen, etwa 60 Prozent innerhalb von 24 Stunden“, erklärt Dr. Friederike Weschenfelder. „Wenn nicht, dann wird die Geburt eingeleitet. Bislang war das nur bei etwa einem Drittel der Schwangeren in der ambulanten Betreuung nötig“, fasst sie zusammen.
Bei unauffälligen Schwangerschaften ist ein ambulantes Management möglich
Wenn die Fruchtblase platzt, dann geht eine Schutzfunktion verloren und das Infektionsrisiko für Mutter und Kind steigt. „Daher ist es wichtig, dass wir die Blutwerte kontrollieren, die Herztöne des Kindes beobachten und weitere Infektionszeichen wie eine erhöhte Temperatur im Blick haben. Wenn hier alles in Ordnung ist, steht einem ambulanten Vorgehen nichts im Weg und die werdenden Mütter können zunächst wieder nach Hause.“ Allerdings geht das nur bei unauffälligen Schwangerschaften: „Bei Vorerkrankungen, einem vorherigen Kaiserschnitt oder z. B. einer Beckenendlage ist eine ambulante Betreuung nach dem vorzeitigen Blasensprung leider nicht möglich“, so Weschenfelder. Und: „Auch wenn wir eine ambulante Betreuung anbieten, ist das natürlich nur eine Möglichkeit. Die können werdenden Mütter nutzen, müssen es aber natürlich nicht. Wer sich unsicher fühlt, kann gerne auch stationär aufgenommen werden.“
Die Wiedervorstellung in der Klinik zur Verlaufskontrolle, zwölf Stunden nach Blasensprung, welche im Rahmen des aktuellen Managements des vorzeitigen Blasensprungs dazu gehört, war bei Therese unauffällig. Nach anfangs nur unregelmäßigem leichtem Ziehen im Unterbauch, setzten die Wehen dann pünktlich zuhause beim gemeinsam fertiggekochten Abendessen ein. Therese stellte sich daraufhin mit kräftiger Wehentätigkeit abends wieder im Kreißsaal vor. Ab da ging es ganz schnell und Linus erblickte am 5. September 2023 ohne Komplikationen das Licht der Welt. Eine Geburtseinleitung und eine Antibiose waren somit nicht notwendig. Und das erste gemeinsame Abendessen als frischgebackene Familie gab es dann einfach im Anschluss.