Jena (vdG/UKJ). Der Name der PRESCIENT-Studie ist Programm: Ins Deutsche übertragen lautet der Projekttitel ‚vorausschauend‘ oder ‚vorherwissend‘. Und genau das will das internationale Studienprojekt erreichen – es will die Krankheitsentwicklung bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit einem erhöhten Psychoserisiko vorhersagen, um frühzeitig handeln zu können.
Ein besonderes Risiko dafür, eine psychotische Störung zu entwickeln, kann aufgrund einer familiären Vorbelastung bestehen oder aus bestimmten Symptomen abgeleitet werden. Zum Beispiel deuten Stimmungstiefs, Einschränkungen in der alltäglichen Lebensführung, die Wahrnehmung nichtexistierender Dinge oder irrationale Überzeugungen auf eine Psychosegefährdung hin. Die Symptome können jedoch individuell sehr stark variieren. „Jüngere Untersuchungen zeigen, dass diese Patientinnen und Patienten nicht nur ein erhöhtes Risiko haben, innerhalb von ein bis zwei Jahren das Vollbild einer Psychose auszuprägen, sondern auch anfälliger für andere psychische Erkrankungen sind. Nur etwa ein Drittel der Patienten mit Risikoprofil bleibt längerfristig psychisch gesund“, sagt Prof. Dr. Stefan Smesny, Leiter des Früherkennungszentrums der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Jena (UKJ). „Wenn wir belastbare Anhaltspunkte für die Entwicklungsrichtungen von Risikokonstellationen hätten, würde das die Möglichkeiten der Frühintervention und damit auch Langzeitverläufe im Allgemeinen erheblich verändern“, fügt er hinzu.
Das Psychosefrüherkennungszentrum koordiniert die Teilnahme von aktuell nur zwei deutschen Standorten an der PRESCIENT-Studie, die vom ORYGEN Youth Health Research Centre im australischen Melbourne initiiert wurde. Das weltumspannende multizentrische Forschungsvorhaben, das vom US-amerikanischen National Institute of Mental Health mit knapp 120 Millionen USD finanziert wird, erhebt bei über 1000 Studienpersonen im Alter von 12 bis 30 Jahren eine Vielzahl klinischer und verhaltensbiologischer Daten. Dazu gehören eine umfassende Anamnese, EEG- und MRT-Untersuchungen, neurokognitive Aufgaben und labormedizinische Analysen. Zum Monitoring und zur Absicherung des Verlaufs absolvieren die Teilnehmenden an der Studie ein Jahr lang monatliche Befragungen und weitere Untersuchungen; nach anderthalb und zwei Jahren erfolgen weitere klinische Untersuchungen. Die Teilnehmenden werden zudem eingeladen, ihre tägliche Stimmung und ihr Verhalten über eine Smartphone-App aufzuzeichnen. Eine Medikation gegen Psychosen ist im Projektverlauf nicht vorgesehen, Beratung und Beobachtung der Verlaufscharakteristika stehen im Vordergrund.
„Wir beziehen sowohl Risikopatienten als auch gesunde Jugendliche und junge Erwachsene als Kontrollgruppe ein“, so die stellvertretende Studienleitung und Projektkoordinatorin in Jena Dr. Kerstin Langbein. „Die psychodiagnostischen und neuropsychologischen Diagnostikinstrumente haben sich gerade in den letzten Jahren in einem Maße weiterentwickelt, dass ein solches Forschungsvorhaben auf der Basis großer Datenmengen ein logischer und zukunftsweisender Schritt ist.“
„Die Früherkennungs- und Frühinterventions-Psychiatrie ist eines der wesentlichen klinischen und wissenschaftlichen Entwicklungsfelder unseres Faches und ein Flaggschiff des neuen Deutschen Zentrums für Psychische Gesundheit“, betont der Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am UKJ, Prof. Dr. Martin Walter. „Wir freuen uns, unseren Patientinnen und Patienten die Teilnahme an diesem internationalen Projekt ermöglichen und zur weiteren Profilierung Jenas auf dem Feld der psychischen Gesundheit beitragen zu können.“
Jugendliche und junge Erwachsene, die sich in der Beschreibung der Risikofaktoren wiedererkennen und an einer Studienteilnahme interessiert sind, können sich telefonisch unter 03641/9390241 oder per E-Mail an beim Studienteam melden.
Weitere Informationen:
Kontakt:
Dr. Kerstin Langbein, M. Sc. Marlene Machnik
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsklinikum Jena
Tel.: 03641/9390241