Lungenentzündungen, hervorgerufen durch S. pneumoniae, stellen eine häufige klinische Infektion dar. Daneben führen invasive Serotypen sehr häufig zu einer Sepsis, begleitet von lokaler Lungendysfunktion (ARDS) und Versagen entfernter Organe. Die Organfunktion wird maßgeblich durch das Bakteriengift Pneumolysin von S. pneumoniae beeinflusst. Pneumolysin bindet an Cholesterin und bildet dabei Poren in Zellmembranen. Dadurch trägt es zur Barrierestörung und damit der Entwicklung einer Sepsis bei. Wir konnten zeigen, dass in Zellen der Leber, den Hepatozyten, die Biosynthese von Cholesterol und anderen Sterolen angepasst wird, wenn Pneumolysin zirkuliert, es also eine Kommunikation zwischen einer lokalen Entzündung der Lunge mit der Leber gibt. Im Menschen ist ein erhöhter Cholesterinspiegel mit einem günstigen Verlauf der Erkrankung assoziiert. Das therapeutische Potential, durch Eingreifen in diese Mechanismen einer Sepsis vorzubeugen, ist hoch und kann neue Optionen im Kontext der zunehmenden Antibiotikaresistenz eröffnen. Dennoch, selbst ein einfacher Transport von Cholesterol, einem Detergenz, in die Lungen ist mit erheblichen Hürden verbunden. Wir wollen Maßnahmen zur Verhinderung von lokalen und entfernten Organdysfunktionen entwickeln und überwachen. Dazu sollen Spitzentechnologien wie die kürzlich entwickelten organspezifischen Nanopartikel, die Wirkstoffe gezielt in die Hepatozyten bringen, und systemmedizinische Ansätze zur Transkriptom- und Metabolom-Analyse verwendet werden. Durch die Forschungen in diesem Projekt soll die Frage beantwortet werden können, ob organselektives Verabreichen von Medikamenten zur Beeinflussung des Cholesterolweges die Lungenfunktion während einer Pneumokokken-basierenden Erkrankung verbessern kann, um damit der Entwicklung einer Sepsis und dem Organversagen vorzubeugen.
Sepsis ist die Hauptursache für Multiorganversagen, das wiederum für kritisch Kranke prognosebestimmend ist. Dieses Organversagen wird häufig auf eine unkontrollierte Entzündungsantwort zurückgeführt. Therapien mit dem Ziel, Entzündungsmediatoren zu neutralisieren, haben allerdings in zahlreichen Studien den Krankheitsverlauf nicht wesentlich beeinflussen können. Zunehmend geraten zellspezifische Signalwege, die Organdysfunktionen beeinflussen, in den Fokus. Die Projekte im Forschungsfeld Damage beschäftigen sich mit sepsisinduziertem Organversagen, insbesondere mit dem Leberversagen. Das ultimative Ziel ist, in die dem Organversagen zugrundeliegende Pathophysiologie zell- und gewebespezifisch einzugreifen und medikamentös beeinflussbare Zielstrukturen zu identifizieren. Vielversprechende Ergebnisse aus der ersten Förderphase sollen zügig in die präklinische Erprobung überführt werden, unterstützt durch die systematische Kooperation mit dem Forschungscampus InfectoGnostics und dem Zentrum für Innovationskompetenz Septomics. Die begleitende Entwicklung von diagnostischen und theragnostischen Strategien soll die häufig auftretende Diskrepanz zwischen erfolgreichen Tierversuchen und dem späteren Versagen in klinischen Studien reduzieren.
Der Kern dieses Forschungsfelds wird durch sechs translationale Projekte und eine klinische Studie gebildet:
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GuliverSepsis-bedingte Regulation der Barrierefunktion in humanen Darm- und Leber-Organoiden
Biochip-basierte Organmodelle, Institut für Biochemie II und Center for Sepsis Control and Care, Universitätsklinikum Jena
Institut für Biochemie II, Universitätsklinikum Jena
Der Zusammenbruch von epithelialen und endothelialen Barrieren ist eine typische pathologische Veränderung im Verlauf der akuten Sepsis. Hierdurch kommt es zu einem Eintritt von Mikroorganismen, vor allem aus dem Darm in die Zirkulation. Derzeit werden sowohl Signalprozesse im Rahmen einer überschießenden Immunreaktion, als auch eine direkte Interaktion von pathogenen Bakterien und Pilzen mit den Epithel- und Endothelzellen als Ursache für die Beeinträchtigung der Barrierefunktion diskutiert. Im Rahmen des Projektes soll die Regulation des apikalen junktionalen Komplexes (AJK) und damit assoziierter Adapterproteine (z.B. Catenine, ZO-Proteine) während der Sepsis untersucht werden. Weiterhin sollen Möglichkeiten zur gezielten Modulation und Stabilisierung der Barrierefunktion untersucht werden. Im Mittelpunkt des Projektes stehen Studien zu gegenseitigen Wechselwirkungen zwischen dem Darm und Leber vor dem Hintergrund eines sepsis-assoziierten Verlustes der Darmbarrierefunktion. Ein wesentliches experimentelles Werkzeug für diese Studien stellen dabei mikrofluidische Biochips dar, in denen humanisierte Darm- und Leberorganoide etabliert und miteinander gekoppelt werden sollen.
Folgende Fragen sollen in diesem Projekt untersucht werden:
- Welche Mechanismen sind an der verringerten Expression von AJK-Proteinen und dem damit einhergehenden Barriereverlust bei Sepsis beteiligt?
- Welche Rolle spielen dabei Immunzell-vermittelte Prozesse?
- Wie beeinflussen sich Leber und Darm unter entzündlichen Bedingungen gegenseitig?
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InsultLiverKonsequenzen der NLRP3 Inflammasom-Aktivierung bei septischer Leberschädigung
Die inflammatorische Immunantwort bei Sepsis ist ein zweischneidiges Schwert, welche die Elimination von pathogenen Erregern unterstützt, jedoch auch Organschäden auslösen und verstärken kann. Inflammasom-Komplexe spielen eine zentrale Rolle bei der Infektionsabwehr, ihre unbegrenzte Aktivierung vermitteln jedoch auch Organschäden bei einer Vielzahl von Krankheiten. Insbesondere die Aktivierung des NOD-ähnlichen Rezeptorfamilienmitgliedes NLRP3 in der Leber kann Entzündung, Fibrose und Zelltod induzieren, aber seine Regulation in der septischen Leberschädigung ist nur unzureichend verstanden.
In diesem Projekt sollen die hepatische Regulation des NLRP3-Inflammasoms in der septischen Leberschädigung und die Folgen der Inflammasom-Aktivierung auf Entzündung, Metabolismus und Zelltod in der Leber untersucht werden. Hierzu wird die Inflammasom-Aktivierung in verschiedenen Zelltypen im Modell der polymikrobiellen abdominellen Sepsis analysiert. Der Einsatz molekularer multimodaler Bildgebung soll es erlauben, Folgen der septischen Organschädigung über große Flächen der Leber in Echtzeit darzustellen. Darüber hinaus werden wir prüfen, ob und welche löslichen Faktoren die Inflammasom-Aktivierung bei Patienten mit septischer Leberschädigung vermitteln.
Ziel des Projektes ist ein Verständnis zeit- und zellspezifischer Regulation der Inflammasom-Aktivierung im Verlauf der Sepsis zu erlangen, um gezielte entzündungshemmende Strategien zu ermöglichen, damit Morbidität und Mortalität von Patienten mit septischer Leberschädigung verbessert werden können.
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NanoDyeLiveryHepatozyten-spezifisches Targeting mit Nanopartikeln
Institut für Biochemie I, Universitätsklinikum Jena
Die Leber spielt in der Wirtsantwort auf lebensbedrohliche Infektionen eine wesentliche Rolle. Ihre Kapazität, toxische Substanzen über die Galle auszuscheiden, scheint außergewöhnlich empfindlich gegenüber Entzündung zu sein. Auf molekularer Ebene kommt es dabei zu einer Herunterregulation von Transportproteinen an der Plasmamembran von Leberzellen, die an Gallencanaliculi grenzen und dadurch zu gestörter Produktion von Gallenflüssigkeit. In unseren bisherigen Arbeiten konnten wir zeigen, dass die Störung der Gallebildung und der Exkretion von Toxinen über die Leber ein häufiges Problem darstellt. Diese Störung lässt einen schlechten klinischen Verlauf erwarten und wird von pluripotenten Signalmolekülen beeinflusst. Mäuse, denen ein solches Signalmolekül fehlt, sind vor derartigen negativen Auswirkungen geschützt. Allerdings spielen diese Moleküle auch eine wesentliche Rolle in der Rekrutierung von Immunzellen zum Fokus einer Infektion und in der Steuerung der Funktion dieser Zellen. Die Nachteile einer allgemeinen Suppression von solchen zentralen Effektormolekülen überwiegen daher klar die positiven Effekte auf die Leberfunktion. Daher versucht das Projekt NanoDyeLivery, die Mechanismen Signalmolekül-abhängiger Funktionsstörungen aufzuklären und solche Moleküle spezifisch/ausschließlich in der Leber zu modulieren, um Nebenwirkungen auf das Immunsystem zu vermeiden.
Nanopartikel ermöglichen das Überwinden zellulärer Barrieren und den gezielten Wirkstofftransport. Unsere bisherigen Studien zeigten, dass der Fluoreszenzfarbstoff DY635 selektiv in Leberzellen aufgenommen wird. Wir haben diese Eigenschaft genutzt, um Hepatozyten-spezifische Nanopartikel zu designen. Immunzellen nehmen die Wirkstoff-geladenen Partikel nicht auf. Wir werden testen, ob dieses Konstrukt dazu geeignet ist, mit der Modulation intrazellulärer Signalmoleküle gezielt die Störung der Gallebildung zu verhindern, ohne gleichzeitig das Immunsystem zu beeinträchtigen. Dieses Konzept birgt das Potenzial einer neuen Behandlungsstrategie.
Makromolekulare Komplexe des angeborenen Immunsystems während neonataler Sepsis
Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Jena
Bei Neugeborenen ist die Reaktion des angeborenen Immunsystems entscheidend für die Entwicklung und Erhaltung der Wirtsabwehr. Entzündungen infolge von Infektionen, wie z.B. Meningitis, sind eng mit neonataler Sepsis assoziiert. Zellwandbestandteile, z.B. Lipopolysaccharid Gram-negativer Bakterien wie E. coli und RNA Gram-positiver Bakterien wie Streptokokken der Gruppe B (GBS) induzieren die Bildung von Zytokinen. GBS-RNA löst die Bildung zytoplasmatischer makromolekularer Komplexe unter Beteiligung von MyD88 (myloid differentiation primary response gene 88), Toll-like Rezeptoren und Inflammasomen, die Caspase enthalten, aus.
Unser Projekt konzentriert sich auf den Nachweis und die Charakterisierung der veränderten angeborenen Immunantwort bei septischer Organschädigung. Wir werden die Regulation der Multiprotein-Immunkomplexbildung sowie die Eigenschaften der Immunkomplexe, die zu charakteristischen Organschäden bei entzündlichen Erkrankungen führen, experimentell analysieren und ihre Eignung als Biomarker für neonatale Sepsis sowie potentielle Wirkstoff-Targets für entzündungshemmende Therapien prüfen. Darüber hinaus werden molekulare Determinanten der Komplexbildung und ihrer Translokation über biologische Barrieren hinweg untersucht. Die Ergebnisse fließen in Untersuchungen an Frühgeborenen sowie Neugeborenen mit sehr niedrigem Geburtsgewicht, die ein hohes Sepsisrisiko haben, ein.
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RemoveUntersuchung der Mechanismen und der Wirksamkeit eines Hämoadsorptionsverfahrens auf die Prävention eines vasodilatatorischen Schocks in herzchirurgischen Patienten mit infektiöser Endokarditis
Infektiöse Endokarditis (IE) ist mit einer hohen Mortalität von etwa 50% assoziiert, v.a. durch postoperative Komplikationen wie Kreislaufversagen und septischem Schock. Der Mechanismus des Kreislaufversagens nach IE-Operation ist noch nicht vollständig geklärt. Es wird vermutet, dass pro-inflammatorische und vasoaktive Zytokine daran beteiligt sind und mit einer schlechten Prognose bei septischem Schock einhergehen. Außerdem könnte die Freisetzung von infektiösem Material während der Resektion von infiziertem Gewebe während der OP eine Rolle spielen. Voruntersuchungen haben bei IE-Patienten höhere Zytokin-Freisetzungsprofile gezeigt als bei Patienten, an denen eine OP bei degenerativer Herzklappenerkrankung durchgeführt wurde. In CLP-induzierten septischen Ratten wurde gezeigt, dass ein Hämoadsorptionsfilter (CytoSorb® ) – ein nicht-selektiver Zytokin-Adsorber – die zirkulierenden Zytokine aus dem Blut entfernte, den Blutdruck stabilisierte und dadurch das Kurzzeitüberleben erhöhte. Gesamtziel der Studie ist es, die Effektivität eines Hämoadsorptionsfilters auf den post-operativen Verlauf von IE-Patienten zu untersuchen.
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TarOrgSterolGezielte Modulation der Cholesterinbiosynthese zur Verhinderung der Pneumokokken-assoziierten pulmonalen und sekundären Organdysfunktion
Lehrstuhl für Organische und Makromolekulare Chemie (IOMC), Center for Soft Matter (JCSM), Friedrich-Schiller-Universität Jena
Gezielte Beeinflussung von Endothelzellbarrieren in der Sepsis
Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Universitätsklinikum Jena
Institut für Molekulare Zellbiologie, Universitätsklinikum Jena
Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Universitätsklinikum Jena
Die mikrovaskuläre Dysfunktion ist ein wesentliches Kennzeichen der Sepsis und führt zu verminderter Organperfusion und nachfolgender Entstehung von Organversagen. Eines ihrer wesentlichen Charakteristika ist die Störung der endothelialen Barrierefunktion. Eine frühe Diagnose der Barrierestörung, gefolgt von präventiven oder therapeutischen Strategien, könnte daher den Verlauf einer Sepsis positiv beeinflussen. Im vorliegenden Projekt werden mit Sphingosin-1-phosphat (S1P) und dem S1P-Rezeptor Typ 1 (S1PR1) sowie der AMP-aktivierten Proteinkinase (AMPK) zwei zusammenhängende Signaltransduktionswege mit einer stabilisierenden Wirkung auf die Barrierefunktion untersucht und deren mögliche diagnostische und therapeutische Anwendbarkeit bei Sepsis geprüft. In diesem Zusammenhang werden diagnostische Tests etabliert, um S1P/S1PR1-Signalübermittlung und AMPK-Aktivität in einer prospektiven Beobachtungsstudie in Sepsispatienten zu beurteilen. Dazu wird unter anderem ein eigenentwickelter monoklonaler Antikörper eingesetzt, der den humanen S1PR1 in der Durchflusszytometrie auf der Zelloberfläche detektiert. Die Korrelation der AMPK-Phosphorylierung und der S1P/S1PR1-Signalweiterleitung mit etablierten Biomarkern für vaskuläre Dysfunktion und Organversagen soll die Rolle der untersuchten Signalwege im komplexen Krankheitsbild der Sepsis offenlegen. Weiterhin werden Strategien zielgerichteter Pharmakotherapien für beide Signalwege experimentell untersucht. Dieses Projekt stellt damit die erste Studie dar, in der klinische Relevanz und mögliche therapeutische Nutzung der S1P/S1PR1-Signaltransduktion und der AMPK-Aktivierung für die Aufrechterhaltung und Stabilisierung der Endothelzellbarriere in Sepsispatienten adressiert wird.