Das Licht muss hell sein. Gerade für Patienten mit Demenz spielt Beleuchtung eine wichtige Rolle als Orientierungshilfe“, sagt Dr. Anja Kwetkat, kommissarische Direktorin der Klinik für Geriatrie am UKJ. Gut ausgeleuchtete Räume helfen nicht nur dabei, den Unterschied zwischen Tag und Nacht auch im Patientenzimmer deutlich zu machen. „Um optische Verkennungen zu verhindern, ist es wichtig, dass keine Schatten entstehen“, so Dr. Kwetkat. Manche Patienten sähen in dunklen Umrissen sonst Bedrohliches oder würden von schlechten Erinnerungen eingeholt.
Die Leiterin der Jenaer Geriatrie beschäftigt sich zurzeit häufiger mit demenzsensibler Architektur. In gut zwei Jahren wird sie mit ihrer Klinik aus dem Gebäude der alten Chirurgie in der Jenaer Innenstadt in den Neubau am Standort Lobeda ziehen. In dem bereits bestehenden Gebäudeteil A4 werden die Station, einige Therapieräume und Büros untergebracht. Gebäudeteil A5, der in den kommenden zwei Jahren an den Neubau angebaut wird, beherbergt zukünftig die Tagesklinik, Therapie- und Arztzimmer. Dass hier eine spezielle Beleuchtung umgesetzt wird, ist Teil der Therapie.
Neben dem Licht spielt auch die Farbgestaltung auf einer geriatrischen Station eine wichtige Rolle. Auch wenn die Details der Umsetzung noch nicht feststehen, sollen Betten und Schränke eines Patienten jeweils mit derselben Farbe markiert werden, so dass die Zuordnung auf einen Blick klar ist. Auch Haltegriffe sowie Türen zu Therapieräumen und zu Bädern sollen optisch auffällig gestaltet werden. „Da wir ein gemischtes Kollektiv betreuen, ist es jedoch wichtig, dass die Gestaltung auch für unsere nicht-dementen Patienten ansprechend ist – sie dürfen sich zum Beispiel nicht bevormundet fühlen“, so Dr. Kwetkat.
Wie eine auf Demenzpatienten abgestimmte Station im Krankenhaus aussehen kann, zeigt Prof. Gesine Marquardt. Die Architektin hat an der TU Dresden die Professur für Sozial- und Gesundheitsbauten inne und sich auf die Gestaltung demenzsensibler Krankenhäuser spezialisiert. Angepasst an die Bedürfnisse der Patienten hat sie mit zahlreichen kleineren Umbau- und Gestaltungsmaßnahmen eine bestehende Station eines Dresdener Krankenhauses umgewandelt: An der gegenüberliegenden Wand der Patientenbetten prangt jetzt in jedem Zimmer ein großformatiges Bild – dasselbe Motiv ist von außen an der Zimmertür angebracht. Aus einer Vielzahl von Fotografien hat Prof. Marquardt die Patienten auswählen lassen. „Unter den Motiven, die die Patienten nach dem Betrachten noch nennen konnten, waren vor allem Stadtansichten, mit denen sie Erinnerungen verbinden“, so die Architektin. Daher zieren Türen und Räume nun unter anderem Abbildungen der Frauenkirche und der Semperoper.
Die sonst in Krankenhäusern übliche kleine, mehrstellige Zimmermarkierung wurde um eine große, einfache Zahl an der Tür ergänzt. Generell erleichtern Kontraste älteren Menschen mit Sehschwäche den Alltag. Weil ein heller Fußboden und ein weißes Bettlaken optisch leicht verschwimmen und alten Menschen das Aufstehen erschweren, hat Prof. Marquardt die Station mit dunklem Bodenbelag ausgestattet. Um den Weg zum Bad auch nachts sicher zu gestalten, helfen Lichtstreifen entlang der Wand und über der Tür bei der Orientierung.
„Wir müssen unsere Patienten vor dem unbeabsichtigten Verlorengehen schützen“, sagt Dr. Kwetkat. Auch diesem Problem soll die Raumgestaltung entgegenwirken. Damit verwirrte oder demente Patienten nicht versehentlich die Station verlassen, werden die Ausgangstüren bewusst unauffällig gestaltet, Türen zu Patientenzimmern und Therapieräumen hingegen auffällig. Dunkle Balken auf dem Fußboden vor den Ausgangstüren halten Patienten erfahrungsgemäß davon ab, diese zu überschreiten. Prof. Marquart hatte auf ihrer Station außerdem die Möglichkeit, gegenüber dem Schwesternzimmer einen Treffpunkt für Patienten zu gestalten mit Sitzgelegenheiten, Platz für Rollstühle, Kopfhörern zum Musikhören und einem Aquarium-TV.
Die 40 Betten umfassende Station trotz ihrer Größe übersichtlich zu strukturieren, ist auch die Herausforderung im Jenaer Neubau. Im Vergleich zu einer normalen internistischen Station steht in den Zwei-Bett-Zimmern mehr Raum zur Verfügung, damit Platz für die notwendigen Hilfsmittel bleibt. Außerdem stehen die Betten mit einer Seite direkt an der Wand. Dr. Kwetkat sieht dem Umzug nach Lobeda positiv entgegen: „Als Geriatrie befinden wir uns dann erstmals mittendrin im Geschehen.“ Konsile und andere Interaktionen mit weiteren Fachrichtungen ließen sich dann viel leichter realisieren. Die Chefärztin würde es jedoch begrüßen, wenn sich alle Disziplinen mit den Fragen einer demenzsensiblen Raumgestaltung beschäftigen würden: Rund 40 Prozent aller Patienten im Krankenhaus sind über 60 Jahre alt, fast jeder fünfte leidet an kognitiven Störungen oder einer Demenz. „Angesichts unserer stetig alternden Gesellschaft werden diese Aspekte für alle Krankenhausbereiche immer bedeutender.“
Anke Schleenvoigt