Die Folge einer Verletzung des Gesichtsnervs ist eine Störung der natürlichen Funktionen des Nervs: Nachdem der Gesichtsnerv den Kopf verlassen hat, verzweigt er sich in viele Äste und versorgt alle mimischen Muskeln des Gesichts. Die wichtigste Aufgabe ist die Bewegung der Gesichtsmuskeln. Eine Lähmung des Gesichtsnervs führt also zu einer Lähmung der Gesichtsmuskeln. Daher wird im Schrifttum eine Gesichtsnervenlähmung oft mit einer Gesichtslähmung gleichgesetzt. Der Gesichtsnerv führt auch Nervenfasern für den Geschmack der zugehörigen Zungenseite, Fasern zur Tränendrüse und Fasern zu einem Mittelohrmuskel. Daher kann eine Gesichtsnervenlähmung auch zu Geschmackstörungen, Störung der Tränenbildung und zu Hörstörungen führen. Die schwerwiegendste Folge ist die Gesichtsmuskellähmung. Hierdurch ist nicht nur die Mimik gestört; durch den fehlenden Augenschluss kommt es zum Austrocknen und zu Entzündungen des Auges; durch die Lähmung der Mundmuskulatur wird das Essen und Sprechen erschwert. Die Lähmung tritt jedoch nicht nur beim Versuch in Erscheinung, die betroffene Gesichtshälfte zu bewegen, sondern ist auch in Ruhe sichtbar. Aufgrund der fehlenden Ansteuerung durch den Gesichtsnerv verliert die Gesichtsmuskulatur auch ihre Ruhespannung und wird schlaff.
Die verschiedenen Ausprägungen der Schädigung und der weitere Verlauf
Liegt nur eine geringgradige Schädigung des Nervs vor, so verliert das Gesicht oftmals nicht so ausgeprägt seine Ruhespannung, und die Beweglichkeit des Gesichts erholt sich im oben beschriebenen Zeitraum. Bei einer schwerwiegenden und dauerhaften Schädigung des Gesichtsnervs sind theoretisch zwei Verlaufsformen möglich, wobei es praktisch oft zu einer Mischung beider Verlaufsformen kommt. Selbst in einem komplett durchtrennten Nerv ist ein Wiederaussprossen von Nervenfasern zu beobachten. Im schlimmsten Fall ist der durch die Schädigung entstandene Defekt jedoch so groß, das der Nerv nicht wieder bis zur Gesichtsmuskulatur auswachsen kann. In diesem Fall kommt es zu keiner Erholung der Ruhespannung der Muskulatur, das Gesicht bleibt schlaff, und es kommt natürlich auch zu keiner Erholung der Beweglichkeit der betroffenen Gesichtshälfte. Häufiger ist zu beobachten, dass wieder Nervenfasern auswachsen und auch Kontakt zu mimischen Muskeln des Gesichts aufnehmen. Daher beobachtet man auch bei schweren Verletzungen des Gesichtsnervs 4 - 12 Monaten nach Auftreten der Lähmung Erholungszeichen wie einer verbesserte Spannung der Gesichtsmuskulatur oder sogar Bewegung im Gesicht. Es wird jedoch nie wieder - auch nicht annähernd - die ursprüngliche normale Funktion erreicht. Warum?
Das fehlgeleitete Aussprossen und die Entwicklung von Synkinesien
Zum einen wachsen nie wieder so viele Nervenfasern aus wie ursprünglich vorhanden waren. Daher erreicht die Beweglichkeit des einzelnen Muskels nicht wieder die alte Stärke. Zum anderen, und das ist weitaus entscheidender, teilen sich die auswachsenden Nervenfasern mehrfach und sprossen rein zufällig, ohne dass man es medizinisch beeinflussen könnte, zu irgendeinem Gesichtsmuskel. Es unterliegt dem reinen Zufall, ob eine Nervenfaser wieder den Gesichtsmuskel erreicht, den sie zuvor im Normalzustand versorgt hat. Dieses Verhaltensmuster wiederholt sich natürlich vielfach für viele verschiedene Nervenfasern. Möchte der Patient nun zum Beispiel das Auge schließen, so wird er alle Nervenfasern über sein Gehirn aktivieren, die ursprünglich für den Augenschluss zuständig waren. Einiger dieser Fasern sind aber rein zufällig in Mundmuskeln ausgewachsen. Dies führt dazu, dass der Patient geschwächt das Auge schließt und gleichzeitig ungewollt den Mund bewegt. Eine solche ungewollte Mitbewegung nennt man Synkinesien. Besonders unangenehm ist der ungewollte Augenschluss bei Mundbewegungen, zum Beispiel beim Essen. Diese Synkinesien können noch eine weitere Folge haben: Werden gleichzeitig zwei Muskel aktiviert, die eine gegenläufige Wirkung entfalten wie zum Beispiel der Augenschließmuskel und der Stirnmuskel (ähnlich Beugern und Streckern am Bein), so heben sich die Bewegungen auf, und es ist keine oder nur sehr schwache Bewegung zu sehen. Sprossen Nervenfasern des Auges, die ursprünglich den Lidschlussreflex auslösten, zum Beispiel zum Mund aus, so kann dies zu einer rhythmischen Zuckung am Mund führen. Fehlaussprossungen in die Tränendrüse führen zum Augentränen (sogenannte Krokodilstränen). Allgemein spricht man bei allen möglichen Folgen einer Fehlaussprossung von einer Defektheilung. Nach Auftreten von Defektheilungszeichen frühesten 4 - 6 Monate nach Lähmungsbeginn können sich die Zeichen noch für etwa weitere 12 Monate verändern.