18.04.2016
Herzklappen und Bypass: Innovative Operationstechnik in UKJ-Herzchirurgie
Klinik-Magazin 2|16 - April 2016 - Presselink (PDF)
Vor 15 Jahren wurde bei Hans Militzer ein Herzklappenschaden entdeckt. Die Aortenklappe funktionierte bei dem 75-Jährigen, der in seinem Berufsleben körperlich schwer arbeiten musste, nicht mehr richtig. Das "Auslassventil" für das Blut auf der linken Herzseite war undicht. "Schließlich wurde das so schlimm, dass ich keine zehn Meter mehr die Treppe hoch schaffte, weil ich keine Luft bekam", erzählt der Münchenbernsdorfer. Hartmut Krähmer aus Jena wiederum plagt sich seit Jahren mit verstopften Herzkranzgefäßen herum, hat schon zwei Herzinfarkte hinter sich; mehrere Stents halten seine Gefäße offen.
Beide Männer wurden Anfang dieses Jahres am Universitätsklinikum Jena operiert. Bei Hans Militzer setzten die Herzchirurgen in einem rund vierstündigen Eingriff eine neue Aortenklappe ein und reparierten zwei weitere, ebenfalls geschädigte Ventile: die Mitralklappe und die Trikuspidalklappe. Hartmut Krähmer legten sie einen Bypass – eine Gefäßumleitung – und brachten so die Gefäßdurchblutung wieder in Gang.
Das Besondere an beiden Eingriffen: Die Spezialisten der Klinik für Herz- und Thoraxchirurgie um Klinikdirektor Prof. Dr. Torsten Doenst wandten dabei ein Verfahren an, bei dem das Brustbein nicht – wie bei diesen Eingriffen bislang üblich – durchtrennt wird. Sie operierten minimal- invasiv – mit einem kleinen Schnitt zwischen den Rippen hindurch. Eine echte Innovation in der Herzchirurgie, denn das Brustbein bleibt dabei heil. Die Jenaer Herzchirurgie ist mit dieser Technik deutschlandweit führend.
Bei dem Verfahren ist unter Vollnarkose nur ein kleiner Schnitt an der rechten Körperseite beziehungsweise auf der Brustseite in Herzhöhe erforderlich, über den die Instrumente eingeführt werden. Den Zugang für die Herz-Lungen- Maschine, an die die Patienten während der Operation angeschlossen werden, verschafft ein Katheter, der über die punktierte Leiste eingeschoben wird. "Zunächst haben wir diese Technik nur bei Patienten mit Mitralklappenschaden eingesetzt", erläutert Prof. Doenst. "Inzwischen ist sie so weit entwickelt, dass sie auch bei Schädigungen der Aortenklappen und bei Kombinationseingriffen zum Einsatz kommt." Solche Eingriffe, bei denen mehrere Klappen gleichzeitig operiert werden, werden Prof. Doenst zufolge bisher nur an der UKJ-Herzchirurgie vorgenommen.
Die Erfahrungen, die die Jenaer Spezialisten mit minimal-invasiven Klappenoperationen gesammelt haben, sollen nun auch verstärkt Bypass-Patienten zugute kommen. Die ersten Patienten wurden auf diese Weise operiert. Vorteil des Verfahrens: "Man kann nicht nur einen Bypass über diesen kleinen Zugang anlegen – das war bisher als MIDCAB-Verfahren bekannt – sondern alle nötigen Bypässe", so der Herzchirurg. "Damit können wir das, was früher per Sternotomie gemacht wurde, jetzt in gleicher Qualität über den kleinen Zugang ausführen - das gilt sowohl für Klappen als auch für Bypässe. Wir liefern also über Jahre dokumentierte Qualität und Langzeitprognose mit deutlich weniger Invasivität."
Bei der minimal-invasiven Technik entsteht ein lediglich drei bis acht Zentimeter großer Schnitt. Zum Vergleich: Die aufwendige Durchtrennung des Brustbeinknochens (Sternotomie) – lange Zeit das Standardverfahren in der Herzklappenchirurgie – ist mit einem rund 30 Zentimeter langen offenen Schnitt verbunden. Das durchtrennte Brustbein muss mit Drähten stabilisiert werden, oft müssen die operierten Patienten auch eine Spezialweste tragen. Die Heilung dauert länger. Für die Patienten sei das neue Verfahren hingegen schonender, so Prof. Doenst. "Sie haben weniger Schmerzen und vor allem das Risiko für Wundinfektionen ist sehr viel geringer." Sie seien auch schneller wieder auf den Beinen und in der Lage, zur Anschlussheilbehandlung in eine Reha-Klinik zu fahren. "Und natürlich ist das Ergebnis auch kosmetisch besser."
Das ging auch Hans Militzer so, der nach der Operation noch eine reichliche Woche im Krankenhaus lag. "Keine Schmerzen, keine Komplikationen, auch in der Reha nicht." Und sein Herz arbeitet wieder richtig. "Ich fühle mich wie neugeboren", freut er sich. Auch der 76-jährige Hartmut Krähmer ist mit dem Heilungsverlauf sehr zufrieden. "Man kommt viel schneller wieder auf die Füße." Zwar habe die kurze Narbe auch etwas geschmerzt. "Aber das ist viel besser, als wenn die Knochen zusammenwachsen müssten."
"Solche anspruchsvollen Eingriffe gehören in die Hände erfahrener Operateure", betont Prof. Doenst. "Es gibt keinen Raum für Fehler." Speziell bei Bypass-Eingriffen stehe man noch am Anfang und das minimal-invasive Verfahren eigne sich noch nicht für jeden Patienten. Die Wahl dieser Methode sei vor allem davon abhängig, wie gut zugänglich die erkrankten Herzkranzgefäße im Brustkorb seien. In der Mehrheit der Fälle operieren die Jenaer Herzchirurgen Bypass-Patienten daher vorerst mit dem klassischen Verfahren der Sternotomie. Die Entscheidung, welches Operationsverfahren in Frage kommt, treffen die Herzchirurgen gemeinsam mit den Kardiologen des UKJ.
Katrin Zeiß
Kontakt:
Klinik für Herz- und Thoraxchirurgie
Prof. Dr. Torsten Doenst
Erlanger Allee 101, 07747 Jena
☏ 03641 9-322901
✉ ht@med.uni-jena.de
www.htchirurgie.uniklinikum-jena.de
Stichwort: Herzklappen
Jeder Mensch hat vier Herzklappen, die bei der Blutversorgung des Herzens eine wichtige Rolle spielen. Sie befinden sich wie eine Art Türchen rechts und links zwischen Herzvorhöfen und Herzkammern. Die Aortenklappe auf der linken Herzseite ist das Auslassventil der linken Herzklappe zur Hauptschlagader (Aorta), darunter liegt die Mitralklappe. In der Form erinnert sie an die Kopfbedeckung der Bischöfe (Mitra). Auf der rechten Herzseite liegen die Pulmonalklappe, die die rechte Herzkammer mit der Lungenschlagader verbindet, darunter die Trikuspidalklappe. Von Herzklappenerkrankungen ist besonders die linke Herzseite betroffen. Besonders häufig sind Undichtigkeiten der Mitralklappe und Verengungen der Aortenklappe, aber auch die Trikuspidalklappe auf der rechten Herzseite ist öfter mal undicht. Herzklappenerkrankungen nehmen mit steigendem Lebensalter zu.