Jena (UKJ/tw). Jung, sportlich, nach dem Studium in der Arbeitswelt angekommen: Franz Schubert stand mit Mitte 20 mitten im Leben. Gedanken machte er sich deshalb auch nicht, als er erstmals im Skiurlaub während des Jahreswechsels 2021/2022 beim Schlucken immer wieder einen Kloß im Hals spürte. Doch was zunächst harmlos anmutete, sollte sich als längerer Leidensweg herausstellen, der sein Leben grundsätzlich verändern sollte.
Nach den unbeschwerten Tagen auf der Piste zurück zu Hause wurden die Beschwerden zunächst besser, jedoch verschwand das Engegefühl im Hals nie ganz. Nach einigen Wochen ging Franz Schubert der Sache nach und ließ sich von seinem Hausarzt durchchecken. Der erste Verdacht des Mediziners: die Schilddrüse. Ein Blutbild sollte Aufschluss geben – und das lenkte die Aufmerksamkeit schließlich auf ein ganz anderes Organ. „Die Leberwerte waren um das 15-fache erhöht. Wir haben erst gedacht, das ist ein Laborfehler“, erzählt Franz Schubert. Doch die zweite Blutuntersuchung sollte das Ergebnis bestätigen. So führte der nächste Weg des Dresdners zum Gastroenterologen, der durch ein großes Blutbild und einen Ultraschall eine Verengung und Entzündung der Gallengänge ausmachte. „Ich habe dann auch festgestellt, dass ich über das Jahr etwa 20 Kilo an Gewicht verloren hatte. Das war mir vorher gar nicht so richtig aufgefallen“, so Franz Schubert. Auch andere Symptome machten sich nun bemerkbar: starker Juckreiz am ganzen Körper, Fieberschübe und Appetitlosigkeit. Größte Sorge bereiteten jedoch die Leberwerte, die sich immer weiter verschlechter ten. „Mein Arzt in Dresden meinte dann, wir müssen etwas unternehmen. Er hat mich deshalb zur weiteren Behandlung ans Uniklinikum Jena verwiesen“, erinnert sich Franz Schubert.
Mitte Juli 2022 kam der Dresdner für eine stationäre Behandlung ans UKJ. Neben weiteren Untersuchungen wurde in der Klinik für Innere Medizin IV eine Gallengangspiegelung durchgeführt und dabei die Gallengänge geweitet. Und schließlich konnten hier auch die einzelnen Puzzleteile zu einem Ganzen zusammengefügt werden. Die Diagnose: Primär sklerosierende Cholangitis (PSC). Bei der Autoimmunerkrankung entzünden sich zunächst die Gallengänge in der Leber, wodurch es zum Gallenstau kommt. Langfristig führt der chronische Gallenstau zur Vernarbung der Leber, Zirrhose genannt. Durch die Krankheit erhöht sich außerdem das Risiko auf Gallengangkrebs.
Auch wenn das Weiten der Gallengänge bei Franz Schubert kurzfristig Besserung brachte, war nach der Diagnose klar, dass weiterer Handlungsbedarf besteht. „Da ich einen schweren Verlauf der Autoimmunerkrankung habe, haben mir die Ärzte eine Lebertransplantation empfohlen“, sagt Franz Schubert. Für den damals 24-Jährigen ein Schock. „Mental hat mich das sehr mitgenommen. Ich habe erstmal gedacht, jetzt ist mein Leben vorbei. In dem Alter rechnet man nicht mit sowas. Und natürlich habe ich mir die Frage gestellt, warum ich ausgerechnet der Betroffene sein muss“, erinnert er sich an die schweren Stunden zurück, die von viel Unsicherheit geprägt waren.
Im August vergangenen Jahres folgte ein weiterer Aufenthalt am UKJ. Es standen die nötigen Untersuchungen an, um auf die Warteliste für eine postmortale gespendete Leber aufgenommen zu werden. Bestimmt wird dabei der sogenannte MELD-Score, der den Schweregrad der Lebererkrankung angibt und bei dem bis zu 40 Punkte erreicht werden können. Franz Schubert reihte sich mit 22 Punkten ein. „Damit gab es keine große Hoffnung, dass ich eine schnelle Transplantation bekomme. Das war der nächste Rückschlag“, so der Dresdner.
Die Ärzte am UKJ brachten deshalb die Leberlebendspende ins Gespräch. Dieses Therapieverfahren ist Schwerpunkt des Zentrums für Transplantationschirurgie der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Gefäßchirurgie, das etwa bei chronischen Entzündungen, Alkoholschädigungen und Krebserkrankungen zum Einsatz kommt. Bei rund 25 Prozent aller jährlich realisierten Lebertransplantationen am UKJ handelt es sich um eine Leberlebendspende. „Damit ist der durchschnittliche Anteil der Leberlebendtransplantation am UKJ wesentlich höher als in anderen deutschen Transplantationszentren. Im vergangenen Jahr haben wir insgesamt 11 Leberlebendtransplantationen durchgeführt“, sagt Prof. Dr. Falk Rauchfuß, Oberarzt an der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Gefäßchirurgie. Das Verfahren, das in Jena überwiegend bei Erwachsenen zur Anwendung kommt, bringt mehrere Vorteile mit sich. „Durch die Leberlebendspende verkürzt sich die Wartezeit auf ein Organ. Es ist eine planbare Operation. Es kann Menschen geholfen werden, die sonst keine Chance auf eine Transplantation hätten. Und man ist nicht Blutgruppengebunden, wie bei einer postmortalen Spende, wodurch sich der Spenderpool für den Empfänger erweitert“, benennt Prof. Rauchfuß einige Punkte. Außerdem können die Operationen für Entnahme und Transplantation im selben Krankenhaus stattfinden, wodurch die Zeit, in der das Organ nicht durchblutet wird und dadurch Schaden nehmen kann, kürzer ist als bei einer postmortalen Spende. Da es sich für den Spender um einen relativ großen Eingriff im Bauchraum handele, bringe die Leberlebendspende auch Risiken mit sich, weiß Prof. Rauchfuß. Auftreten können etwa Wundheilungsstörungen sowie Entzündungen und Undichtigkeiten des Gallenwegssystems. „Gleichzeitig besitzt die gesunde Leber des Spenders eine sehr gute Regenerationsfähigkeit. Die verbleibende Leber wächst nach der OP in etwa wieder auf die Ausgangsgröße an. Das gilt auch für das transplantierte Leberteilstück.“
Um die medizinischen Risiken der Transplantation so gering wie möglich zu halten, müssen Spender als auch Empfänger für eine Lebendorganspende strenge Voraussetzungen erfüllen. So ist diese nur dann möglich, wenn beide in einer engen emotionalen Verbindung stehen. Das ist zum Beispiel der Fall bei Verwandten ersten und zweiten Grades, Verlobten, Lebenspartnern oder Personen, die sich offensichtlich durch eine persönliche Verbundenheit nahe sind. Finanzielle Erwägungen dürfen keinesfalls eine Rolle spielen. Das stellt auch die Lebendspendekommission sicher, die jeden Lebendspendefall als externes Komitee begutachtet. Außerdem gilt generell, dass der Spender gesund und zwischen 18 und 60 Jahre alt sein muss. Leber, Herz und Gefäße sollten gut funktionieren, Größe und Gewicht nicht wesentlich unter oder über dem des Empfängers liegen. Ausschlusskriterien für eine Spende sind unter anderem starkes Übergewicht oder relevante Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems.
Auch bei Franz Schubert wurde im engen Umfeld nach einem Spender gesucht. Vater Ulf-Henner stellte sich prinzipiell als geeignet heraus. Zwar stimmten die Blutgruppen von Vater und Sohn nicht überein, doch dank einer Blutwäsche war die Transplantation möglich. „Für mich war gleich klar, dass ich das machen werde. Uns wurde ein guter Weg mit der Lebendleberspende aufgezeigt. Angst hatte ich vor dem Eingriff nicht. Ich bin positiv an das Ganze rangegangen“, sagt der 55-Jährige.
Am 24. November 2022 war es dann soweit: Der Tag der Transplantation. Zunächst wurde Ulf-Henner Schubert operiert, nach rund zweieinhalb Stunden konnte dann Sohn Franz das Leberteilstück seines Vaters transplantiert werden. „Bei erwachsenen Spendern werden rund 60 Prozent der Leber entnommen. Übertragen wird in aller Regel der rechte Leberlappen“, erklärt Prof. Rauchfuß. Nach dem Eingriff sind noch einige Tage Aufenthalt im Krankenhaus nötig. „Der Empfänger bleibt zwischen drei und vier Wochen in der Klinik, der Spender acht bis 14 Tage, wenn keine Komplikationen auftreten“, so der Chirurg. Bei Franz Schubert verlief die Transplantation erfolgreich. Nach Monaten der Ungewissheit und des Leidens ist der Dresdner zurück in einem fast normalen Leben. Sein Körper hat das neue Organ angenommen. Seit Mitte Mai dieses Jahres geht der 25-Jährige wieder normal arbeiten, Sport treiben in Maßen ist ebenso möglich. Auch sein Vater hat die Operation bis auf kleinere Komplikationen gut verkraftet. Für Franz Schubert steht deshalb fest: „Es war der richtige Weg, die Transplantation zu machen.“