4. So viele Möglichkeiten

Dipeptidyltransferase 4, kurz DDP4, heißt einer der Forschungsgegenstände von Stefanie Deinhardt-Emmer.  Das Oberflächenprotein kommt in vielen Zelltypen vor und ist auch ein Eingangstor für Coronaviren in die Zelle. Dass das Enzym in gealterten Zellen verschiedener Zelltypen vermehrt gebildet wird, konnte die Virologin schon nachweisen. Zusammen mit der Massenspektrometrie-Spezialistin Birgit Schilling, die ein eigenes Labor am Buck Institute leitet, untersucht Stefanie Deinhardt-Emmer, wie die Signalwege für die Proteinproduktion in alternden Zellen verändert sind. „Wir finden diese Veränderungen in verschiedenen Zell- und Gewebetypen, zum Beispiel auch in der Hornhaut im Auge. Da wird direkt die Zellbarriere zerstört.“

Gegenwärtig stehen auch Experimente zum Bindungsverhalten des Proteins auf dem Laborarbeitsplan.  „Wir wissen, dass das Protein ein Rezeptor für das MERS-Coronavirus ist und wollen nun herausfinden, ob und wie SARS-CoV-2 an den Rezeptor bindet“, so Stefanie Deinhardt-Emmer. Dabei arbeitet sie nicht mit den hochinfektiösen Corona-Viren selbst, sondern mit Pseudoviren, einer Art Virus-Nachbau. Das ist eine gängige Technik der Virologen, wenn sie gefährliche Erreger untersuchen. Harmlose Lentiviren werden mit den Oberflächeneigenschaften der Coronaviren ausgestattet, so dass sie sich biochemisch wie diese verhalten, aber nicht krank machen können.

Für die anstehenden Bindungsstudien kann Stefanie Deinhardt-Emmer einmal mehr von der extrem guten Vernetzung der Wissenschaftler am Buck Institute profitieren: Für die Untersuchung hat sie einen Experten für Affinitätsstudien mit dem Spikeprotein von SARS-CoV-2 interessieren können, der am Scripps College arbeitet und viel Erfahrung mit der Bindungskapazität von SARS-COV-2 hat. Überhaupt die Kontakte und Möglichkeiten: „Ich habe hier schon coole Angebote für Kooperationen und auch Jobs gekriegt – am liebsten würde ich das alles machen. Aber das geht natürlich nicht“, sagt Stefanie Deinhardt-Emmer. Denn in Jena warten die Facharztausbildung in der Mikrobiologie, die Habilitation („in Amerika interessiert die niemanden“), laufende und neue Projekte.

Zum Beispiel das LPI, das Leibniz-Zentrum für Photonik in der Infektionsforschung. Das neue Forschungszentrum wird an 2024 in Lobeda gebaut und den Einsatz innovativer lichtbasierter Technologien für die Bekämpfung von Infektionskrankheiten erforschen. Die wissenschaftliche Arbeit startet bereits jetzt: Es werden Technologieplattformen aufgebaut, die später von anderen Arbeitsgruppen mit ihren konkreten Forschungsfragestellungen genutzt werden können. Stefanie Deinhardt-Emmer ist Teil des UKJ-Teams, das die Referenzanalytik für eine der Technologieplattformen entwickelt. Mit seinen biologischen Modellen und realitätsnahen klinischen Proben wird es den Goldstandard definieren, an dem sich neue, auf Bildgebung beruhende Diagnostikmethoden messen lassen müssen. Für eine andere der Technologieplattformen ist die Virologin Projektleiterin: Die Plattform wird die COVID-19-Pandemie als Testfall nutzen, um Strategien für Diagnostik, Therapie und Management künftiger Virus-Infektionen zu entwickeln.

Es wird also ganz bestimmt genug zu tun sein, wenn die Wissenschaftlerin im Juni nach Deutschland zurückkehrt. Noch hält Franziska Hornung im Labor in Jena die Stellung, „wir zoomen morgens, und dann organisiert sie das Labor – super!“ In Kürze wird sie ihren Master in dem Studiengang „Molecular Medicine“ abschließen und dann am Institut für Mikrobiologie promovieren. Weitere Mitarbeiter für die Projekte – Postdocs, MTAs, Doktoranden – sucht Stefanie Deinhardt-Emmer (Infos und Kontakt).

Zu tun ist natürlich auch noch im aktuellen Projekt am Buck Institute, das sie zu einem gewissen Abschluss bringen will. Und dann ist da noch das Review zur Lungenfibrose, an dem sie gerade mit einem Kollegen von der University of California in San Francisco schreibt. Ein anderes Paper hat endlich die Hürden der Fachbegutachtung  genommen und ist erschienen. Es geht, na klar, um SARS-CoV-2. Ein Jenaer Forscherteam untersuchte an einem Chipmodell menschlicher Lungenbläschen, wie das Virus es schafft, die Zellbarriere anzugreifen und zu überwinden. „In der äußeren Zellschicht fanden wir eine hohe Viruslast und deutliche Entzündungsreaktion, in der inneren dagegen nicht. Diese wurde erst bei längerer Infektion beschädigt, so dass vermutlich die Abwehrreaktion die Barrierefunktion stört und dadurch die Virusausbreitung fördert“, beschreibt Stefanie Deinhardt-Emmer das Ergebnis.

Einige Kooperationen mit dem Buck Institute will sie auf alle Fälle fortsetzen. „Wir haben ja jetzt alle gelernt, wie man auch online prima zusammenarbeiten kann, und für zwei intensive Laborwochen im September gilt mein Visum noch“, lacht sie. Und die Familie? Die Kinder kommen mit dem distance learning so gut zurecht, dass sie sich gar nicht so stark nach Hause sehnen, wie man annehmen könnte. Mit der Besserung der Pandemiesituation in Kalifornien gibt es jetzt auch wieder Spielenachmittage in der Schule und ab April vielleicht Präsenzunterricht.

Die 7-Tage-Inzidenz in Kalifornien ist wieder einstellig, auch dank des amerikanischen Impfprogramms. „Auch wir sind geimpft, mit dem Impfstoff von Pfizer. Hier brauchte es keine Impfärzte, es durften auch die Sheriffs impfen.“ In ihrer Freizeit genießt die Familie weiterhin die eindrucksvolle Natur der Region, zum Beispiel mit einem Ausflug in die Bucht von Monterey, samt Schwimmen im Pazifik. Wassertemperatur? „Ehrlich gesagt keine Ahnung – einstellig?“

Hinreichend Aufregung brachte ein technisches Missgeschick. “Mein Laptop ist einfach ausgestiegen“, erzählt Stefanie Deinhardt-Emmer, „ging einfach nicht mehr an.“  Einen Großteil der Daten auf der Festplatte konnte eine kleine Computerfirma retten, „aber das war teuer! Und es hat bestimmt 14 Tage gedauert, bis ich wieder voll arbeitsfähig war.“ Der neue Rechner tut nun schon seit einigen Wochen seine Dienste – beim Paper- und Anträgeschreiben und natürlich in etlichen Videokonferenzen täglich.

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