Das 3R - Prinzip: Replace - Reduce - Refine
Das 3R - Prinzip wurde von den beiden britischen Forschern William Russell und Rex Burch in ihrem Buch "The Principles of Humane Experimental Technique" 1959 beschrieben. Die Begriffe, die sich hinter den 3Rs verbergen: Replace, Reduce, Refine stehen für den verantwortungsvollen Umgang mit Versuchstieren. Ziel ihres Ansatzes ist es, die Zahl von Tierversuchen zu reduzieren und das Leid der Versuchstiere auf das geringstmögliche Maß zu beschränken.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am UKJ engagieren sich in der 3R - orientierten Forschung. Für die Entwicklung von Alternativmethoden oder Projekte zum Refinement sind sie bereits mehrfach mit Tierschutzpreisen ausgezeichnet worden. Am UKJ arbeiten alle am Tierversuch beteiligten Personen daran, dass Wohlbefinden unserer Versuchstiere zu verbessern und dabei auf hohem wissenschaftlichen Niveau zu forschen.
Die 3Rs und ihre Umsetzung am UKJ
Reduction
Tierversuche sind so zu planen, dass die Anzahl der in Projekten verwendeten Versuchstiere auf ein Minimum reduziert wird, ohne dass die Ziele des Projekts beeinträchtigt werden (Art. 4 RL 63/2010/EU).
Umsetzung am UKJ: Unser Ziel ist es, für jeden neuen Tierversuch ein optimal geplantes Studiendesign zu erstellen. Dafür fertigen die Forscher statistische Gutachten an, tauschen sich mit anderen Forschergruppen über Erfahrungswerte aus und lassen sich von den Tierärzten und Tierschutzbeauftragten eingehend beraten. So verhindern wir, dass ähnliche Versuche mehrmals durchgeführt werden. Durch eine transparente Fehlerkultur vermeiden wir die Wiederholung missglückter Versuche. Nicht wie geplant einsetzbare Versuchstiere können einfach über eine am UKJ genutzte Tierdatenbank an andere Forschergruppen vermittelt werden.
Mit diesem Konzept gelingt es uns, die Zahl der in Versuchen eingesetzten Tiere auf ein Minimum zu reduzieren und gleichzeitig das Forschungsergebnis zu erreichen.
Refinement
Tierversuche sind so zu planen, dass die Zucht, Unterbringung und Pflege sowie die Methoden, die in Verfahren angewandt werden, verbessert werden, damit mögliche Schmerzen, Leiden, Ängste oder dauerhafte Schäden von Versuchstieren ausgeschaltet oder auf ein Minimum reduziert werden (Art. 4 RL 63/2010/EU).
Umsetzung am UKJ: Gemeinsam arbeiten alle am Tierversuch beteiligten Personen für das Wohlbefinden unserer Versuchstiere. Das beginnt bereits in der Tierhaltung, denn unsere Tierpflegerinnen und Tierpfleger betreuen unsere Versuchstiere im engen Austausch mit den Forschergruppen. Dazu gehört z.B. das Handling von Tieren vor dem Versuchsbeginn - so sind unsere Versuchstiere im Experiment weniger gestresst.
Im Versuch selbst werden stets tierschonende Verfahren eingesetzt, wie z.B. Narkosen für Untersuchungen. Für jeden neuen Tierversuchsantrag wird von uns geprüft, ob es tierschonendere Methoden gibt und so das Leid unserer Versuchstiere auf ein Minimum zu reduzieren. Um immer auf dem aktuellen Stand zu sein, bilden sich alle an Tierversuchen beteiligten Personen regelmäßig zu möglichen methodischen Optimierungen fort.
Replacement
Tierversuche sind so zu planen, dass, wo immer dies möglich ist, anstelle eines Verfahrens eine wissenschaftlich zufrieden stellende Methode oder Versuchsstrategie angewendet wird, bei der keine lebenden Tiere verwendet werden (Art. 4 RL 63/2010/EU).
Umsetzung am UKJ: Für jeden neuen Tierversuchsantrag prüfen wir, ob das wissenschaftliche Versuchsziel nicht auch durch die Verwendung von Alternativverfahren oder den Einsatz von Tieren zum Zeitpunkt lange vor der Geburt oder dem Schlupf bzw. den Einsatz einfacher Organismen wie wirbellosen Tieren erreicht werden kann. Am UKJ gibt es zahlreiche Projekte zur Entwicklung von Alternativverfahren zum Tierversuch - zum Teil können diese Verfahren genutzt werden, um erste Pilotversuche zu ersetzen.
Die Stabstelle Tierschutz vernetzt alle am UKJ forschenden Arbeitsgruppen, z.B. durch unsere "Thementage der tierexperimentellen Forschung", um den Austausch von tierexperimenteller Forschung und der Forschung von Alternativverfahren bestmöglich zu gewährleisten.
3R und mehr
3R oder mehr Rs?
In jüngster Zeit prägen neben den ursprünglichen 3Rs von William Russell und Rex Burch aus dem Jahr 1959 immer neue "Rs" die Diskussionen um Tierversuche. Dies zeigt, wie wichtig allen an Tierversuchen beteiligten Personen das Tierwohl unter Sicherung eines hohen wissenschaftlichen Anspruchs ist. Hier einige Beispiele:
- Reproducibility - Reproduzierbarkeit von Tierversuchen entsprechend guter wissenschaftlicher Praxis, z.B. durch Nutzung von Guidelines zur Planung von Experimenten Prepare Guidelines
- Relevance - Relevanz der Übertragbarkeit von Tierversuchen auf den Menschen
- Responsibility - Verantwortung gegenüber Tier und Mensch
- Respect - Respekt vor dem Leben eines Tieres
- Robustness - Belastbare statistische Planung von Tierversuchen*
- Registration - Transparente Darstellung von geplanten Tierversuchen*
- Reporting - Beachten von Leitlinien für lückenloses Publizieren von Ergebnissen aus Tierversuchen, z.B. den ARRIVE Guidelines* oder konstruktiver Fehlerkultur durch transparentes Berichten von missglückten Tierversuchen CIRS-LAS **, ***
* Aus: Strech D, Dirnagl U: 3Rs missing: animal research without scientific value is unethical, BMJ Open Science 2019;3:bmjos-2018-000048. doi: 10.1136/bmjos-2018-000048
** Aus: Bischoff S, Trietschel D, Enkelmann A, Schiffner R, Estrade P: Learning from Negative Results-Critical Incident Reporting System in Laboratory Animal Science (CIRS-LAS.de). 2018, J Anim Res Vet Sci 2: 009 DOI: 10.24966/ARVS-3751/100009
*** Aus: Enkelmann, E., Bischoff S: How to Get More Transparency in Animal Experiments-Participation in CIRS-LAS. 2020 - 10(5). AJBSR. MS.ID.001546. DOI: 10.34297/AJBSR.2020.10.001546.
Culture of Care am UKJ
Neben den bekannten 3Rs oder den weiteren Rs, die hier benannt sind, prägt der Ausdruck "Culture of Care" zunehmend tierexperimentelle Veranstaltungen. Hintergrund einer sogenannten Pflegekultur oder "Culture of Care" sind eine Kultur der Fürsorge und Verantwortung. Doch, was ist damit gemeint?
Neben geltenden Gesetzen und Vorschriften, die die Arbeit mit Versuchstieren regeln, sollten tierexperimentell forschende Einrichtungen danach streben, über die gesetzlichen Anforderungen hinauszugehen und eine "Kultur der Sorgfalt" zu etablieren, um sicherzustellen, dass die Tiere mit Mitgefühl und Respekt behandelt werden. Die Beachtung des Wohlbefindens der Versuchstiere ist nicht nur gut für das Tier, sondern wirkt sich auch auf die Qualität der Wissenschaft und letztendlich auf das Leben der Menschen und Tiere aus, die von der Forschung profitieren. Dies ist letztlich Ausdruck der neuen zusätzlichen Rs neben den bestehenden 3Rs, welche von William Russell und Rex Burch im Jahr 1959 geprägt wurden.
Responsibility (Verantwortung) & Respect (Respekt) - nicht nur gegenüber unseren Versuchstieren, sondern auch den Personen gegenüber, die sich täglich um das Wohl unserer Tiere kümmern - die Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Tierhaltung, denn sie stehen im häufigen Interessenskonflikt durch ihr eigenes Mensch-Tier-Verhältnis einerseits und der Arbeit für wissenschaftliche Forschung andererseits. So sprechen wir heute nicht mehr nur vom Tierwohl, sondern auch vom menschlichen Wohlbefinden, wenn wir von einer modernen und zeitgemäßen "Culture of Care" in der tierexperimentellen Forschung sprechen*.
Was tun wir für eine "Culture of Care" am UKJ?
- Stärkung des Tierwohls und des Tierschutzes:
- Festlegen eigener ethischer Leitprinzipien im Umgang mit Versuchstieren durch die geltende UKJ - Tierschutzrichtlinie
- Förderung der Entwicklung von Methoden zu Reduction, Refinement und Replacement
- Steter Austausch mit Tierärzten, Tierhausleitungen und Tierschutzbeauftragten anderer Forschungseinrichtungen
- Mitarbeit im "Arbeitskreis Tierschutz" mit zuständigen Genehmigungs- und Kontrollbehörden von Tierversuchen
- Wertschätzung und Stärkung unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Tierhaltung:
- Schulung unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Tierhaltung zu verschiedenen Themen, z.B. Kommunikation über ihre Arbeit in der tierexperimentellen Forschung
- Einbindung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Tierhaltung in die Planung und Durchführung von Tierversuchen durch regelmäßige Besprechungen mit Arbeitsgruppen
- Die Meinung unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Tierhaltung ist uns wichtig - z.B. durch ihre aktive Mitarbeit im Tierschutzausschuss oder bei Fragen in der Tierpflege zur Verbesserung von Haltungsbedingungen
- Transparente Kommunikation über die tierexperimentelle Forschung am UKJ:
- aktuelle Informationen über Tierversuche am UKJ für verschiedene Interessengruppen, z.B. Schulklassen, fachfremde Studiengänge oder die Öffentlichkeit
- Darstellung der Zahlen verwendeter Versuchstiere
- Transparente und konstruktive Fehlerkultur
- Aktive Beteiligung an Fachkongressen zu tierexperimenteller Forschung
* Aus: Ferrara, F: Culture of Care in der tierexperimentellen Forschung. Eine Frage der Vernetzung von Tierwohl und menschlichem Wohlbefinden. Versuchstierkunde Kompakt 05/2020, ISSN 2625-7394 Fabienne Ferrara ConScienceTrain