Neue Lebensqualität bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen
Lebenslustig, aktiv und motiviert, das beschreibt Julia sehr gut. Die 25-Jährige befindet sich am Beginn ihres Masterstudiums, als sie das erste Mal von starken Schmerzen im Unterbauch geplagt wird – und das von nun an vor jedem Stuhlgang. An manchen Tagen muss sie die Toilette nur einmal aufsuchen, an anderen dreimal. Diese Unregelmäßigkeiten schiebt sie zunächst auf den Stress im Studium. Genauso wie ihren Gewichtsverlust auf 50 Kilogramm bei einer Körpergröße von 170 Zentimetern. Und wie die Schmerzen in ihren Handgelenken, die sie seit neustem hat. Aber erst, als sie sich zunehmend matt und abgeschlagen fühlt und immer mehr Freunde und Familie sie auf ihre extreme Blässe ansprechen, sucht sie Hilfe beim Hausarzt.
Ein Blick auf die Werte von Blut und Stuhl beweisen, dass mit ihr wirklich etwas nicht stimmt. Die Darmspiegelung beim Gastroenterologen bestätigt dann die Vermutung ihres Arztes: Julia leidet an einer Entzündung am Übergang vom Dünn- zum Dickdarm, die bereits kleine, etwa zwei Zentimeter große Geschwüre gebildet hat. Diese Entzündung heißt Morbus Crohn, neben der Colitis ulcerosa eine der zwei häufigsten chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED). Wie Julia sind deutschlandweit etwa 500.000 vor allem junge Menschen zwischen 15 und 40 Jahren von einer dieser Erkrankungen betroffen – Tendenz steigend.
„Bei CED-Patienten spielt die Immunabwehr des Magen-Darm-Traktes verrückt“, weiß Dr. Philip Grunert, Oberarzt an der Klinik für Innere Medizin IV. „Bei ihnen können Darmbakterien durch die dichte Darmbarriere in den Körper treten. Gegen die eigentlich harmlosen Bakterien reagiert ihr Körper mit einer überschießenden Entzündungsreaktion, die die Darmschleimhaut schädigt.“ Die Folgen: starke Bauchkrämpfe, häufige, oft blutige Durchfälle, Mangelerscheinungen, rheumatische Gelenkbeschwerden oder Hautirritationen. Bei Morbus Crohn kann der gesamte Verdauungstrakt vom Mund bis zum After sowie alle Schichten der Schleimhaut von den Entzündungen betroffen sein. Bei der Colitis ulcerosa hingegen konzentrieren sich die Entzündungen auf den Dickdarm, beginnend beim Anus. Deshalb sind die Betroffenen häufiger von Durchfall betroffen – bis zu 20 Mal am Tag.
Die genauen Ursachen für die Entstehung der CED sind nicht geklärt. „Häufig liegt eine genetische Vorbelastung vor“, so der Gastroenterologe. „Aber erst in Kombination mit weiteren Faktoren wird die Erkrankung ausgelöst und begleitet die Betroffenen dann in Schüben ein Leben lang.“ Solche Faktoren können die Zusammensetzung des Mikrobioms, aber auch Ernährung, Alkohol oder Rauchen, Medikamenten wie Antibiotika oder externe Umwelteinflüsse sein.
Wie Julia nehmen viele ihre Symptome zunächst nicht ernst. Deshalb vergehen oft bis zu zwei Jahre von den ersten Beschwerden bis zur Diagnose. „Dabei ist es wichtig, die Beschwerden früh abzuklären, um eine adäquate Therapie zu finden“, sagt Dr. Grunert. Halten die Beschwerden länger als drei Monate an, sollten Erkrankte diese bei ihrem Hausarzt abklären. „Treten zusätzlich Gewichtsverlust und Blut im Stuhl auf, dann ist ein Termin direkt beim Gastroenterologen wichtig“, rät Dr. Grunert. Bei Gastroenterologen wie in den Hochschulambulanzen der Klinik für Innere Medizin IV am UKJ. Hier erhalten die Betroffenen eine umfangreiche Diagnostik – und werden anschließend auch kontinuierlich betreut.
Vor allem die Linderung der akuten Beschwerden und die medikamentöse Therapie der Entzündung in Form von Tabletten, Zäpfchen oder Infusionen steht im Vordergrund. „Wichtig ist, uns eng mit unseren Patienten abzustimmen. Nur wer versteht, wie die Therapie wirkt, bleibt ihr auch treu“, weiß der CED-Experte. Denn Erkrankte müssen die Medikamente regelmäßig über mehrere Monate einnehmen, bis sie ihre volle Wirkung zeigen. Etwa alle drei Monate kontrollieren die Experten in der Sprechstunde mithilfe von Stuhltests, Darmsonografie und Endoskopie, ob die Krankheit unter Kontrolle ist. Kehren die Schübe bereits nach kurzer Zeit zurück, muss die Therapie angepasst werden. Hierbei setzen die Jenaer Darmexperten zunehmend auf innovative Medikamente. Die sogenannten Biologicals, biotechnisch hergestellte Substanzen, sind in diesem Fall vielversprechend. „Sie bringen neue Hoffnung für unsere CED-Patienten“, sagt Dr. Grunert. „Denn anders als Kortison wirken die Biologicals ganz gezielt gegen bestimmte Strukturen im Körper. Sie blockieren Botenstoffe, die die Entzündung überhaupt erst in Gang setzen würden. Damit erhalten die Patienten ihre Lebensqualität wieder zurück – nahezu ohne Einschränkungen.“ Patienten mit besonders schwierigen Krankheitsverläufen, bei denen die etablierten Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind, erhalten über die Studienambulanz am UKJ Zugang zu innovativen, noch nicht erhältlichen Wirkstoffen.
Julia geht es mittlerweile wieder gut. Nachdem sie über mehrere Wochen systemisches Kortison genommen und sich reizarm ernährt hat, haben sich ihre Entzündungswerte wieder normalisiert. Nun hofft sie, dass sie ihr Studium ganz ohne Schmerzen im Unterbauch beenden kann – dafür geht sie weiterhin regelmäßig zur Kontrolle in die gastroenterologische Hochschulambulanz am UKJ.
Anne Curth