17.09.2013
Wie viel Behandlung brauchen ältere Krebspatienten?
Internationale Experten fordern Änderungen bei klinischen Studien zur Erforschung von Krebstherapien, um älteren Patienten besser gerecht zu werden
Jena (UKJ/vdG). Überleben Patienten durch die Behandlung mit einem neuen Krebsmedikament oder einem neuen Verfahren länger oder lässt sich der Krebs damit länger zurückdrängen als mit herkömmlichen Therapien? Das sind die Fragen, die klinische Studien in der Krebsmedizin zu beantworten versuchen; Voraussetzung für die Zulassung einer neuen Therapie ist ein deutliches „ja“.
„Wir beobachten aber seit geraumer Zeit, dass dieses Studiendesign den Bedürfnissen der älteren Krebspatienten, die den Großteil unserer Patienten ausmachen, nicht entspricht“, so PD Dr. Ulrich Wedding, Onkologe und Chefarzt der Abteilung für Palliativmedizin am Universitätsklinikum Jena. „Patienten, die in Krebsstudien eingeschlossen werden, sind im Schnitt zehn Jahre jünger als der durchschnittliche Krebspatient, viele typische Begleiterkrankungen sind oftmals Ausschlusskriterien für eine Studienteilnahme.“
Wedding ist Mitglied in einer internationalen Expertengruppe, die die stärkere Berücksichtigung älterer Patienten und ihrer Gesundheitssituation bei Krebsstudien fordert. In einem jetzt veröffentlichten Positionspapier sprechen sich die Europäische Organisation für Forschung und Behandlung von Krebs, die Internationale Gesellschaft für Geriatrische Onkologie und die Allianz für Klinische Studien in der Onkologie dafür aus, sowohl fitte als auch ältere und gebrechliche Patienten in Krebsstudien einzuschließen. Studien speziell für ältere Krebspatienten sollten zur Pflicht werden, wenn sich die Standard-Therapie von der bei jüngeren Patienten unterscheidet.
Obwohl Studien, in denen die Teilnehmer zufällig der Interventions- oder der Kontrollgruppe zugewiesen werden, als Goldstandard in der klinischen Forschung gelten, könnten diese nicht alle Fragen für die Behandlung älterer Patienten beantworten, so die Autoren. Deshalb empfehlen sie auch kleinere Untersuchungen, eventuell ohne Kontrollgruppe, um Erkenntnisse zu Wirksamkeit und Toxizität für enger umschriebene Patientengruppen zu gewinnen. Es sei wesentlich, in künftige onkologische Studien mit älteren Patienten vergleichbare geriatrische Bewertungskriterien zu integrieren. Große Beobachtungsstudien und die Auswertung von Krebsregistern könnten weitere Ergebnisse liefern. Die Zulassungsbehörden sollten Belege für Wirksamkeit und Sicherheit von neuen Therapien bei älteren und gebrechlichen Patienten einfordern, regt die Expertengruppe an, die über 13.000 Krebsmediziner weltweit repräsentiert.
Die Onkologen des Universitätsklinikums sehen in dem Positionspapier eine wichtige Datensammlung für künftige Studienprojekte. „Die Einbeziehung älterer und gebrechlicher Patienten in hochwertige klinische Studien sind eine zentrale Aufgabe der forschenden Altersmedizin, gerade in der Onkologie“, betont Prof. Dr. Andreas Hochhaus, Direktor des UniversitätsTumorCentrums. Die Erforschung der Alterns und altersassoziierter Erkrankungen ist ein wissenschaftlicher Schwerpunkt am Jenaer Uniklinikum.
Mit dem Fokus auf geriatrische Krebspatienten ergeben sich völlig neue Studienfragen, die sich für jüngere Patienten nicht stellen. Ulrich Wedding: „Wir sollten auch unterschiedliche Behandlungsstrategien vergleichen, wie z.B. Therapie der Krebserkrankung und symptommindernde Versorgung. Denn bei älteren Patienten tritt oft die Frage nach der verbleibenden Lebenszeit zurück hinter die nach der noch möglichen Lebensqualität.“
Originalliteratur:
Wildiers et al. End Points and Trial Design in Geriatric Oncology Research: A Joint European Organisation for Research and Treatment of Cancer - Alliance for Clinical Trials in Oncology - International Society of Geriatric Oncology Position Article, Journal of Clinical Oncolocy, September 9, 2013, doi: 10.1200/JCO.2013.49.6125
http://jco.ascopubs.org/content/early/2013/09/09/JCO.2013.49.6125.short