18.02.2014
Metall im Herz ist unbedenklich
Materialforscher der Uni Jena prüfen Implantate aus Nickeltitanlegierung in Langzeitstudie
Jena (FSU/US). Ein Hosenknopf, eine Münze oder eine Uhr – für Menschen mit einer Nickelallergie können sie gefährlich werden. Etwa jeder zehnte Deutsche reagiert auf Hautkontakt mit dem Metall allergisch. „Daher stellt sich die Frage nach der Sicherheit von Implantaten im medizinischen Bereich, die Nickel enthalten“, erläutert Prof. Dr. Markus Rettenmayr von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Denn in Folge von Korrosion setzen Nickeltitanlegierungen, die in zunehmendem Maße als kardiovaskuläre Implantate bei minimalinvasiven Eingriffen eingesetzt werden, geringe Mengen an Nickel frei, erläutert der Inhaber des Lehrstuhls für Metallische Werkstoffe. Vor allem über lange Zeiträume, so bisherige Befürchtungen, könnte es zu einer Nickelbelastung im Körper des Patienten kommen, die unter Umständen gesundheitliche Probleme nach sich zieht.
Doch diese Befürchtungen sind weitgehend unbegründet: Wie ein Jenaer Forscherteam um Prof. Rettenmayr und seinen Kollegen Dr. Andreas Undisz in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Acta Biomaterialia schreiben, ist die Nickelfreisetzung aus Drähten einer Nickeltitanlegierung auch über längere Zeiträume sehr gering. Belegt haben die Forscher diese Aussage mit der ersten Langzeitstudie überhaupt, die eine solche Freisetzung detailliert unter- sucht hat: Statt der gesetzlich vorgeschriebenen Testphase für implantierbare Medizinprodukte von wenigen Tagen haben sie das Auswaschverhalten von Nickel über einen Zeitraum von acht Monaten untersucht.
Untersuchungsobjekte waren feine Drähte aus einer superelastischen Nickeltitanlegierung, die z. B. für Okkluder – medizinische Implantate zur Behebung von Defekten der Herzscheidewand – verwendet werden. Ein Okkluder besteht aus zwei drahtgeflochtenen Schirmchen, die etwa die Größe einer Ein-Euro-Münze haben, und lässt sich mechanisch zu einem dünnen Strang ziehen, der in einem Herzkatheter Platz findet. „Dadurch lassen sich die Okkluder über minimal-invasive OP-Verfahren platzieren“, sagt Dr. Undisz. Im Idealfall trägt der Patient das Implantat anschließend über viele Jahre im Körper.
Um zu testen, was während dieser Zeit mit dem Nickeltitandraht passiert, haben Dr. Undisz und Doktorandin Katharina Freiberg Proben der Drähte nach unterschiedlicher mechanischer und thermischer Beanspruchung in hochreines Wasser eingelegt und das freiwerdende Nickel nach definierten Zeitintervallen bestimmt. „Das war alles andere als einfach“, so Undisz, „denn die Konzentration des freiwerdenden Metalls bewegt sich häufig im Bereich der Nachweisgrenze“. In Kooperation mit Forschern des Instituts für Klinische Chemie und Laboratoriumsdiagnostik des Uniklinikums Jena ist es den Materialwissenschaftlern jedoch gelungen, eine verlässliche Testroutine zu entwickeln, um den Verlauf der Nickelfreisetzung zu messen.
„Vor allem in den ersten Tagen und Wochen werden durchaus nennenswerte Mengen an Nickel frei“, fasst Undisz die Befunde zusammen. Dies, so der Materialwissenschaftler weiter, sei vor allem auf die mechanische Beanspruchung des Implantats während der OP zurückzuführen. „Dadurch wird die dünne Oxidschicht beschädigt, die das Material bedeckt, wodurch es zur erhöhten Nickelfreisetzung kommt.“ Auf lange Sicht aber bewege sich die Nickelkonzentration im Bereich weniger Nanogramm pro Tag und liege damit weit unterhalb der Menge, die wir ohnehin tagtäglich über die Nahrung zu uns nehmen.
Original-Publikation:
Freiberg KE, Bremer-Streck S, Kiehntopf M, Rettenmayr M, Undisz A: Effect of thermomechanical pre-treatment on short- and long-term Ni release from biomedical NiTi, Acta Biomaterialia (2014), doi: 10.1016/j.actbio.2014.01.003