04.11.2015
Jenaer Studienreform Humanmedizin in der Praxis
Seit einem Jahr studieren die angehenden Mediziner an der Friedrich-Schiller Universität Jena nach einem grundlegend reformierten Curriculum. Die Besonderheit des JEnaer NeigungsOrientierten Studiums JENOS ist im klinischen Studienabschnitt die Wahl einer der drei Linien Klinik-, Ambulant- und Forschung-orientierte Medizin als Ergänzung zum für alle verbindlichen Kerncurriculum. Das JENOS-Konzept wurde in mehrjähriger Vorbereitung am Universitätsklinikum erarbeitet und ist deutschlandweit einmalig.
Jena (UKJ/vdG). Unterricht am Patienten auf der neurologischen Intensivstation, eine Vorlesung „Akute Verschlechterung des Allgemeinzustands“ oder das Seminar „Was ich im Labor über meinen Patienten lerne“ – das sind drei der knapp 30 Linienlehrveranstaltungen für die Medizinstudierenden des 7. Semesters am heutigen Mittwoch. Die angehenden Ärzte am Jenaer Universitätsklinikum haben sich je nach Neigung für eine der drei Linien Klinik-, Ambulant- und Forschung-orientierte Medizin entschieden, für die sie aus einem vielfältigen Lehrangebot wählen können. Dieses ergänzt die für alle verbindlichen Vorlesungen, Seminare und Praktika des Kerncurriculums, das entsprechend entschlackt wurde.
Mit dem Ziel, die Absolventen noch besser auf den Berufsstart vorzubereiten und besonders motivierte Studierende zu gewinnen, wird dieses deutschlandweit einmalige Konzept des Jenaer neigungsorientierten Studiums JENOS nun seit einem Jahr umgesetzt. „Schon die komplette Überarbeitung der bisherigen Lehrveranstaltungen, um Freiraum für die Linien zu schaffen, war ein gewaltiger Kraftakt; etliche Vorlesungs- und Seminarreihen mussten auf Dopplungen und Überschneidungen überprüft werden“, beschreibt Studiendekan Prof. Dr. Orlando Guntinas-Lichius das Ausmaß der Reform, in die sowohl Lehrende als auch Studierende einbezogen waren. Mit dem Start der Linienveranstaltungen im vergangenen Sommersemester entschied sich ein Drittel des Jahrgangs für die Ambulante Linie, reichlich die Hälfte wählte die Klinik-orientierte Linie und zehn Prozent den Forschungszweig; zum jetzigen Wintersemester haben nur wenige Studierende die Linie gewechselt.
Für die Veranstaltungen der Klinik-orientierten Linie sind neben den Einrichtungen des UKJ die Lehrkrankenhäuser wichtige Partner. Die Linie bereitet vertieft auf die ärztliche Tätigkeit in der stationären Krankenversorgung vor. Dabei spielen Interdisziplinarität und –professionalität eine zentrale Rolle, die spezialisierte Medizin, aber auch organisatorische und rechtliche Aspekte. Der Linienkoordinator Prof. Dr. Ekkehard Schleußner: „Die Seminare und Praktika knüpfen verstärkt an die Thematik des Kerncurriculums an, derzeit entsprechend an den Themenblock Nervensystem und Psyche.“ Ergänzt werden die vielen Kleingruppenangebote von Grundlagenvorlesungen.
„Die Modulveranstaltungen der Ambulant-orientierten Medizin widmen sich besonders den frühen noch unklaren Zeichen von Krankheiten und den Langzeitaspekten der Behandlung, aber auch den praktisch-organisatorischen Fragen in einer niedergelassenen Praxis“, so Prof. Dr. Jochen Gensichen, der diese Linie koordiniert. Die Studierenden lernen Patienten mit unklaren Symptomen kennen, die Zusammenarbeit mit Kliniken, Krankenkassen und Reha-Einrichtungen oder unternehmerische Aspekte. Zu den Pflichtveranstaltungen gehören zum Beispiel wiederholte Praktika stets in denselben Arztpraxen, um auch die langen Linien der ambulanten Medizin kennenzulernen. Dr. Sven Schulz ist einer von über 70 Fachärzten aus den Lehrpraxen, die zusammen mit den Klinikambulanzen die Linie unterstützen: „Vor allem die individuelle Betreuung und der Unterricht mit Patienten ist sehr aufwändig für die Kollegen, aber die Studierenden profitieren davon besonders.“
Für die Studierenden, die sich für die Forschung-orientierte Linie entschieden haben, begann nach einem Grundlagenkurs im Sommersemester jetzt das Mentoring-Programm. „Sie bearbeiten direkt in den Forschergruppen des Klinikums ein eigenes Projekt und erlernen so das wissenschaftsbasierte Arbeiten“, betont Koordinator Prof. Dr. Reinhard Bauer das zentrale Anliegen dieser Linie. „Das stellt die Weichen für eine qualitativ hochwertige medizinische Doktorarbeit, und kann - im Sinne einer Begabungsförderung - im Doppelstudium mit vertiefter naturwissenschaftlicher Ausbildung und Masterabschluss die akademische Laufbahn befördern.“
Das Angebot an Linienveranstaltungen und das Interesse der Studierenden war beim JENOS-Start zunächst so groß, dass die Einschreibung das Studienverwaltungsprogramm DOSIS komplett überforderte. Prof. Guntinas-Lichius: „Hier mussten wir technisch nachbessern, auch organisatorisch haben wir Änderungen vorgenommen und die Linienangebote noch mehr strukturiert.“ Damit reagierte die JENOS-Arbeitsgruppe auf die Rückmeldungen von Dozenten und Studierenden. „Die Orientierung in den Linienveranstaltungen und die individuelle Auswahl war durchaus zeitaufwendig“, so die Studentin Marina Golling, „die Veranstaltungen selbst aber zumeist sehr interessant.“
„Möglich wurde JENOS durch das riesige Engagement der Liniengruppen, der Mitarbeiter im Studiendekanat, der Dozenten, der Fachschaft Medizin und der externen Lehrpartner sowie das konstruktive Mitwirken der Studentinnen und Studenten unseres ersten JENOS- Jahrgangs“, dankt der Studiendekan allen Beteiligten. Nachdem das Online-System DOSIS die Einschreibung zum Wintersemester gemeistert hat, arbeiten alle auf die nächste Herausforderung hin – den Beginn des kommenden Sommersemesters, wenn der nächste Jahrgang in JENOS startet und dann über 500 Studierende Klinik-, Ambulant- und Forschung-orientierte Medizin als Wahlfach belegen.
Weitere Informationen:
www.uniklinikum-jena.de/studienreform.html