08.09.2016
Neuer Einsatz für alten Wirkstoff
Jenaer Uniklinik testet PETN zur Vorbeugung einer Mangelversorgung der Babys von Risikoschwangeren/ DFG fördert klinische Studie
Jena (UKJ/vdG). Meist entsteht bei der feindiagnostischen Untersuchung etwa in der 20. Schwangerschaftswoche das erste Porträt vom Ungeborenen fürs Familienalbum – aber das ist nur ein Nebenprodukt. In dieser speziellen Ultraschall-Untersuchung überprüft der Frauenarzt, ob sich das Kind zeitgerecht entwickelt und ausreichend vom mütterlichen Körper versorgt wird. Dazu wird auch in einer Doppleruntersuchung die Durchblutung von Gebärmutter und Plazenta gemessen. Bei etwa 5% der Schwangeren ist der Befund auffällig, was ein erhöhtes Risiko für verzögertes Wachstum des Babys bedeutet.
„Es ist noch nicht vollständig verstanden, warum sich manchmal die Gefäße der Plazenta nicht richtig ausbilden und es zu einer solchen Unterfunktion kommt“, so die Frauenärztin PD Dr. Tanja Groten. „Doch schlimmer ist, dass es keine etablierte Therapie für eine Verbesserung der Versorgung des Babys gibt.“ Um das zu ändern, plant die Oberärztin in der Geburtshilfe des Uniklinikums Jena eine klinische Studie mit dem Wirkstoff Pentaerythrityltetranitrat (PETN). Dieser seit Jahrzehnten bei Herzbeschwerden und Bluthochdruck eingesetzte Wirkstoff wird im Körper zu dem körpereigenen Botenstoff Stickstoffmonoxid abgebaut, der die Gefäße erweitert und somit die Durchblutung verbessert. Zudem verfügt PETN über eine Gefäßschützende Wirkung.
Vorstudie zeigte positive Effekte und Sicherheit
In einer Vorstudie mit über 100 Teilnehmerinnen konnten die Jenaer Geburtsmediziner zeigen, dass sich PETN positiv auf die Versorgungssituation des Ungeborenen auswirkt. Tanja Groten: „In der mit dem Wirkstoff behandelten Patientinnengruppe fielen die Wachstumsverzögerung des Babys und Schwangerschaftskomplikationen weitaus geringer aus als in der Vergleichsgruppe.“ In Laborexperimenten konnten die Wissenschaftler der Unifrauenklinik in Jena nachweisen, dass die Einnahme des Wirkstoffs in der Schwangerschaft sicher ist: Das Medikament kann nicht von der Plazenta zum Kind übergehen.
Den positiven Effekt von PETN wollen die Jenaer Unimediziner jetzt in einer randomisierten, placebo-kontrollierten Studie mit 14 Studienzentren bestätigen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert das auf insgesamt drei Jahre angelegte Projekt mit einer Million Euro. Derzeit erarbeiten die Wissenschaftler zusammen mit dem Klinischen Studienzentrum des Uniklinikums das Studienprotokoll; ab dem Frühjahr 2017 wollen sie insgesamt 300 Patientinnen in die Studie aufnehmen, bei denen nach einem auffälligen Befund der Doppleruntersuchung in der Schwangerschaftsmitte ein erhöhtes Risiko für eine Unterversorgung des Babys besteht. „Wenn sich die Wirksamkeit von PETN in dieser großen, qualitativ hochwertigen Studie bestätigt, dann stünde uns erstmals ein Medikament zur Vorbeugung von drohender Mangelversorgung Ungeborener zur Verfügung“, so Studienleiterin Tanja Groten. „Darauf warten Frauenärzte schon lange.“