26.05.2016
UKJ-Kinderchirurgen „verstecken“ künstlichen Blasenausgang im Bauchnabel
„Wichtiger Beitrag zur Entwicklung“ / Verfahren kann bei urogenitalen Fehlbildungen oder nach Krebserkrankungen eingesetzt werden
Jena (ukj/dre). Wenn Kinder auf Grund einer Fehlbildung oder eines Tumorleidens keine funktionsfähige Harnblase haben oder wegen des Fehlens einer Harnröhre auf einen künstlichen Blasenausgang angewiesen sind, kann dies ihre Entwicklung stark einschränken. Oft ziehen sich die Kinder zurück oder werden ausgegrenzt, wollen keinen Sport machen oder mit anderen Kindern spielen. Umso wichtiger ist es, ihnen eine medizinische Versorgung anzubieten, die es den Kindern möglich macht, am Alltag teilzunehmen. In der Klinik für Kinderchirurgie des Universitätsklinikums Jena (UKJ) wird ein Verfahren angewandt, das erkrankten Kindern zu mehr Selbstständigkeit verhilft.
Allein in diesem Jahr hat Prof. Dr. Felicitas Eckoldt, Direktorin der Kinderchirurgie am UKJ, bei zwei Mädchen operativ einen künstlichen Blasenausgang angelegt. Das Besondere: Der Ausgang liegt „versteckt“ im Bauchnabel, ist kontinent, also trocken, und kann z.B. im Sommer bei Bedarf einfach mit einem Pflaster abgedeckt werden. Auch Schwimmen ist damit für die Kinder möglich und das, ohne dass ihre Spielkameraden den künstlichen Ausgang bemerken. Alle vier Stunden können die Kinder über diesen Ausgang ihre Blase, nach Schulung und Begleitung durch die Eltern oder Pflegekräfte, selbstständig mit einem Katheter entleeren.
„Eines der Mädchen im Grundschulalter litt an Blasenkrebs. Dem Kind wurde zunächst die komplette Harnblase entfernt. Daher haben wir ihm aus einem Stück Darm ein Reservoir als Ersatz für die Blase gefertigt und dies mit den Harnleitern verbunden. Als Eingang dient der Blinddarm und über einen Katheter erfolgt dann die Entleerung der Ersatzblase“, erklärt die Expertin für Urogenital-Erkrankungen im Kindesalter. Prof. Eckoldt betont: „Dieser Ausgang ist dicht, es gibt keine Geruchsbelästigung und damit auch keine Hänseleien anderer Kinder. Das Mädchen ist richtig aufgeblüht nach dem Eingriff. Natürlich musste sie zunächst noch unterstützt werden beim Umgang mit dem Katheter, aber schon bald konnte sie ihn schnell auch selbst bedienen.“
Der zweite Eingriff erfolgte bei einem fünfjährigen Mädchen, das an einer angeborenen Blasenfehlbildung litt, im Fachbegriff „Blasenekstrophie“. Hierbei ist die Blase nicht komplett ausgebildet worden: Die Entwicklung ist sozusagen stehen geblieben, bevor die Blasenwand korrekt angelegt, die Harnröhre entwickelt und der Beckenring geschlossen werden konnten. Eine solche Fehlbildung tritt bei etwa einem von 7000 Neugeborenen auf. Da diese schwere Fehlbildung sehr selten ist, gehört die Behandlung in die Hände ausgesprochener Spezialisten, so Prof. Eckoldt. „Unsere Patienten kommen zum Teil von weit her angereist.“ Auch bei diesem Mädchen mussten die Experten des UKJ ein künstliches Blasenreservoir aus Darm mit einem katheterisierenden Zugang über den Wurmfortsatz anlegen. Auch hier kann die Blasenentleerung dann über einen Katheter erfolgen, was auf Grund des jungen Alters des Kindes noch durch die Mutter bzw. während der Kindergartenzeit durch einen Pflegedienst vorgenommen wird. Die Kleine kennt aber bereits nach wenigen Wochen alle benötigten Utensilien und legt alles bereit, wenn es Zeit zum Katheterisieren ist.
Beide Mädchen werden regelmäßig in der Spezialsprechstunde für Urogenital-Erkrankungen der UKJ-Kinderchirurgie weiter betreut. Diese Nachsorge ist genauso wichtig wie die erforderliche Erfahrung und Kompetenz bei den Operationen. Die UKJ-Kinderchirurgie ist auf solche Eingriffe spezialisiert. Neben Operationen im Genitalbereich zählen auch Eingriffe im Magen-Darm-Trakt zu den Schwerpunkten der Klinik.
Die Behandlung kindlicher Organfehlbildungen ist komplex und erfordert deshalb die fachübergreifende Zusammenarbeit verschiedener Ärztegruppen. Am UKJ arbeiten die Kinderchirurgen u.a. mit Spezialisten für die Versorgung Frühgeborener (den Neonatologen), Spezialisten für kindliche Nierenerkrankungen (den Kindernephrologen) und Kinderradiologen zusammen. Großer Vorteil des Jenaer Klinikums: Als einziges in Thüringen verfügt es über eine Abteilung für Kinderradiologie.
Kontakt:
Universitätsklinikum Jena
Klinik für Kinderchirurgie Jena
Prof. Felicitas Eckoldt
Tel.: 03641 / 9 32 27 01
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