Jena (ukj/tak). Konrad Horst Marstaller (75) wollte an diesem Samstagmorgen, dem 15. Juli 2017 mit seiner Frau einen Ausflug nach Leipzig in den Zoo machen. Das Ehepaar aus Jena-Lobeda war sehr zeitig aufgestanden und stand schon um 06:30 Uhr früh am Bahnhof Göschwitz, als das Unerwartete geschah.
Für Maximilian Kühnel (24), im Universitätsklinikum Jena (UKJ) als Mitarbeiter für die internen Patiententransporte tätig, kurz IPT, war gerade der Nachtdienst vorbei und er war hundemüde, wollte nur noch nach Hause nach Kahla und schlafen. Er stand ebenfalls am Bahnsteig. „Ich spielte mit meinem Handy, als der ältere Herr neben mir plötzlich umfiel wie ein gefällter Baum“, beschreibt Kühnel die Situation. Auch Konrad Horst Marstaller kann sich nur noch daran erinnern, dass er „einfach aus heiterem Himmel umgekippt ist, nach vorne, mit voller Wucht auf den Boden“. Mit lautem Krachen schlägt der Rentner mit dem Kopf auf dem Asphalt auf. Maximilian Kühnel hatte gerade eine dreimonatige Ausbildung zum Rettungssanitäter beim DRK Jena absolviert. Sofort begriff er was zu tun ist: „Stabile Seitenlage und vermeiden, dass der Mann an seinem Blut erstickt.“ Plötzlich konnte Kühnel bei dem Mann am Boden keinen Plus mehr fühlen, Herzstillstand. „Ich habe versucht, ruhig und besonnen zu reagieren“, beschreibt der 24-Jährige. Er weist Frau Marstaller an, ihren Mann zu beatmen, während er mit der Herzdruckmassage beginnt: „Wie in der Schulung habe ich den richtigen Punkt zwischen den beiden Brustwarzen in der Mitte gefunden und dort fünf bis sechs Zentimeter tief 30 Mal drücken, zwei Mal beatmen, 30 Mal drücken, zwei Mal beatmen“. Unwillkürlich denkt Maximilian Kühnel an das Lied der Bee Gees „Stayin‘Alive“. „Unser Lehrer - Notfallsanitäter Matthias Schmidt vom DRK Jena - hatte gesagt, wenn wir im Rhythmus des Refrains dieses Songs die Herzdruckmassage machen, dann sind wir im richtigen Takt“. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Patient bei Herzstillstand die Reanimation überlebt, liegt nur bei zehn Prozent, selbst beim Einsatz eines geschulten Ersthelfers, weiß Kühnel.
Wenige Minuten später kommt der bereits alarmierte Rettungsdienst vom ASB Jena und setzt vor Ort die Wiederbelebung mit einem Defibrillator fort. Mit Erfolg: Beim Eintreffen des Notarztes hat der Patient schon wieder einen funktionierenden Herzschlag. Der Notfallpatient wird in das Universitätsklinikum Jena transportiert. In der Universitätsklinik wird Konrad Horst Marstaller durchgecheckt. Diagnose: Zwei von drei Herzkranzgefäßen sind chronisch verschlossen und werden durch Stentimplantationen wiedereröffnet. Langfristig braucht sein Herz einen implantierten Defibrillator als Schutz.
Durch den ungebremsten Sturz auf den Kopf ist der ehemalige Zeissjaner zwar grün und blau im Gesicht, aber gebrochen hat er sich zum Glück nichts.
Dr. Steffen Herdtle, Oberarzt in der Zentralen Notaufnahme und Leiter der Präklinischen Notfallmedizin am UKJ, lobt das beherzte Eingreifen von Maximilian Kühnel. „Viele Menschen haben in einer solchen Situation Angst, etwas falsch zu machen und die Folge ist: Sie helfen gar nicht. Das ist ein Riesenfehler, denn beim Herzstillstand kommt es auf jede Sekunde an.“ Ist der Patient bewusstlos und hat keine normale Atmung mehr, sollte man sofort den Notruf absetzen (112) und mit der Herzdruckmassage beginnen „Ein Hirnschaden droht schon, wenn das Herz drei Minuten lang kein Blut mehr durch die Adern gepumpt hat“, mahnt Dr. Herdtle. Pro Minute ohne Maßnahmen sinkt die Überlebenswahrscheinlichkeit um zehn Prozent Die durchschnittliche Eintreffzeit des Rettungsdienstes liegt bei acht Minuten. „Da hat man als professioneller Helfer fast keine Chance mehr. Der beherzte Ersthelfer kann mit dem Beginn von Maßnahmen Leben retten.“ Sorgen, etwas falsch machen zu können widerspricht Oberarzt Herdtle vehement: „Wenn man hilft, kann man eigentlich nichts falsch machen – außer nichts zu tun!“
Schätzungen zufolge ließen sich in Deutschland 10.000 Menschen vor dem plötzlichen Herztod bewahren, wenn die Bereitschaft zur Ersten Hilfe größer wäre.
Herr Marstaller hatte Glück, er hatte einen beherzten, versierten Ersthelfer und er kam sofort in das UKJ. Herr Marstaller sagt, „Ich möchte mich nochmal richtig bei meinem Lebensretter bedanken“. Sein Lebensretter Maximilian Kühnel ist einfach froh, dass er helfen konnte. „Ich würde es jederzeit wieder tun.“