15.06.2017
Stoffwechselanpassung erhöht Sepsis-Toleranz
Eine aufeinander abgestimmte Regulierung des Eisen- und des Glukose-Stoffwechsels in der Leber ist wesentlich für die Anpassung des Organismus bei einer Sepsis und damit für den Erhalt der Organfunktion und das Überleben. Mit diesen jetzt im renommierten Fachjournal Cell vorgestellten Ergebnissen eröffnen Wissenschaftler aus Jena, Oeiras in Portugal und Lyon neue Therapieansätze für die Sepsis.
Sepsis ist häufiger als Schlaganfall, Brust- oder Darmkrebs - in Deutschland erkranken jährlich etwa 280.000 Patienten an Sepsis. Und jeder Vierte überlebt die Krankheit nicht. Vor gut einem Jahr aktualisierte ein internationales Expertengremium die Definition der Sepsis und beschrieb diese schwere Erkrankung als lebensbedrohliche Funktionsstörung der Organe infolge einer außer Kontrolle geratenen Reaktion des Körpers auf eine Infektion. Damit folgen die Wissenschaftler dem aktuellen Forschungsstand zur Sepsis, der das Organversagen in den Mittelpunkt stellt. Forscher aus Oeiras in Portugal, Jena und Lyon konnten jetzt im Tiermodell nachweisen, wie sich bei einer Sepsis die Änderungen von Stoffwechselprozessen fatal verketten und zum Organversagen führen können – und dass es Regulationsmechanismen gibt, die diese Verkettung durchbrechen können.
Es gehört zum Abwehrarsenal des Körpers, bei bakteriellen Infektionen möglichst wenig Eisen im Blut für die Mikroben verfügbar zu machen, da dieses das Wachstum von Bakterien unterhält. Damit macht sich der infizierte Organismus aber ebenfalls angreifbar. „Manche Sepsispatienten entwickeln im Verlauf der Erkrankung sehr niedrige Blutzuckerspiegel. Wir wissen, dass dieses Phänomen mit einer erhöhten Sterblichkeit verbunden ist. Mit unserer Arbeit können wir zeigen, dass ein intakter Eisenstoffwechsel für die Erhaltung der Stoffwechselfunktionen der Leber und somit zur Vermeidung von zu niedrigen Blutzuckerspiegeln während der Sepsis unabdingbar ist“, so PD Dr. Sebastian Weis, einer der Erstautoren der Studie. Er arbeitet in der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Universitätsklinikum Jena, die sich seit vielen Jahren mit der Systembiologie des Organversagens bei Sepsis beschäftigt.
In der Arbeitsgruppe von Dr. Miguel Soares am Instituto Gulbenkian in Oeiras in Portugal untersuchte er im Tiermodell, über welche Mechanismen der Körper verfügt, um dieser Unterzuckerung und Gewebeschädigung vorzubeugen. Eine zentrale Rolle dabei spielt das Komplexprotein Ferritin, das Eisen binden und speichern kann. Sebastian Weis: „Die Bedeutung von Ferritin in der Sepsis war bisher unbekannt. Wir wussten lediglich, dass es als sogenanntes Akut-Phase-Protein vermehrt hergestellt wird. Jetzt konnten wir nachweisen, dass es regulierend in den Leberstoffwechsel eingreift. Es kurbelt die Produktion eines Enzyms an, das für die Glukoseneubildung in der Leber gebraucht wird.“
Tiere, die kein Ferritin bilden konnten, hatten einen niedrigeren Blutzuckerspiegel und eine größere Sepsissterblichkeit als die Tiere der Vergleichsgruppe. Die Gabe von nicht mit Eisen beladenem Ferritin konnte die Sterblichkeit im Tierversuch senken; dagegen hatte Eisen-gesättigtes Ferritin nicht diese positive Wirkung. „Diese Ergebnisse bestätigen die aktualisierte Sicht auf die Sepsis, dass der Schutz und die Unterstützung der Organfunktion ein zentrales Therapieziel sein muss. Das Ferritin stellt hierfür vielleicht einen neuen Ansatzpunkt dar, völlig unabhängig von Art und Anzahl der auslösenden Mikroorganismen“, so Sebastian Weis.
Originalliteratur:
Weis et al., Metabolic Adaptation Establishes Disease Tolerance to Sepsis, Cell (2017),
http://dx.doi.org/10.1016/j.cell.2017.05.031