Jena (UKJ/vdG). Wenn das Herz plötzlich viel zu schwach ist, um ausreichend Blut durch den Körper und zur Lunge zu pumpen – meist durch einen Herzinfarkt, aber auch z.B. bei Herzmuskelentzündungen oder akuten Herzrhythmusstörungen – dann besteht größte Lebensgefahr. Etwa 50.000 Menschen sterben in Deutschland jährlich an einem Herzinfarkt, oft noch bevor sie ein Krankenhaus erreichen. Und auch von den Infarktpatienten, die in eine Klinik eingeliefert werden, überleben 15% den ersten Tag nicht.
„Bei einem solchen kardiogenen Schock helfen uns Herzunterstützungssysteme, die die Pumpfunktion des Organs übernehmen, um lebensbedrohliche Zustände zu überbrücken und die Patienten zu stabilisieren. Die heute verfügbaren Lösungen sind aber in Einzelfällen mit patientenspezifischen Komplikationen verbunden, im Ansatz wesentlicher teurer als unsere neue Lösung, arbeiten mit kontinuierlicher Flussunterstützung und nicht pulsatil dem menschlichen Herzschlag angepasst“, so der Kardiologe und Projektleiter Dr. Daniel Kretzschmar, Oberarzt an der Klinik für Innere Medizin I des Universitätsklinikums Jena.
Gemeinsam mit dem Jenaer Medizintechnik-Startup Novapump, Wissenschaftlern des Jenaer Fraunhofer-Instituts für Optik und Feinmechanik sowie den Firmen Questmed und Creative Balloons wollen die Jenaer Kardiologen nun die Entwicklung eines Unterstützungssystems vorantreiben, das in Notfallsituationen für Stunden oder Tage die Arbeit der linken Herzseite weitgehend übernehmen kann. Als Vorbild dafür dient ihnen die schon gemeinsam entwickelte Lösung zur Unterstützung des rechten Ventrikels, die den Lungenkreislauf antreibt. Der große Vorteil dieses Systems besteht darin, dass die Pumpe ohne herzchirurgischen Eingriff innerhalb von zehn Minuten mittels eines Katheters durch die Leiste eingebracht werden kann und auf standardmäßig in kardiologischen Schwerpunktabteilungen vorhandene Technik aufbaut. Durch die speziell konstruierte Ballonmembran mit Folienventilen wird eine Pumpleistung von bis zu drei Litern pro Minute erreicht. Für das Rechtsherzsystem sollen Ende nächsten Jahres die ersten klinischen Tests mit Patienten beginnen.
Patientenschonendes und leistungsstarkes Herzunterstützungssystem für den Notfall
„Die Herausforderungen bestehen nun darin, die Funktion, Geometrien und Materialien unseres Systems an die Anatomie und Physiologie der linken Herzhälfte anzupassen und neuartige, passende Ventilkonzeptionen zu untersuchen“, so Ronald Reich, Ingenieur und Geschäftsführer von Novapump, zum jetzt gestarteten Verbundprojekt. Das stellt eine komplett neue Entwicklungsaufgabe dar, denn die linke Herzkammer ist wesentlich kräftiger als die rechte, weil sie das Blut mit höherem Druck durch den gesamten Körper pumpt.
Ziel des Verbundes ist es, eine neuartige, erstmals pulsatil arbeitende und selbstexpandierende Linksherzpumpe zu erforschen, die weniger patientenspezifische Nachteile mit sich bringen soll. Zudem soll sie leistungsstärker und wesentlich kostengünstiger als heutige katheterbasierte Linksherzunterstützungslösungen sein. Technologieentwicklung und Konstruktion, Simulationen und medizinische Tests sollen im Projekt so weit vorangetrieben werden, dass dann die Zertifizierung zum Medizinprodukt vorbereitet ist. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert das auf drei Jahre angelegte Entwicklungsprojekt im Rahmen seines Programmes „KMU-innovativ“ im Bereich Medizintechnik mit insgesamt 2,2 Millionen Euro.
„Mit einem leistungsstarken Unterstützungssystem, das einfach und sicher zu implantieren ist und komplikationsarm arbeitet, könnten wir vielen unserer Notfallpatienten mit akutem Linksherzversagen besser helfen“, ist sich Professor Christian Schulze, Direktor der Klinik für Innere Medizin I am Universitätsklinikum Jena, sicher. „Auch andere schwerkranke, sedierte Herzpatienten könnten von einer solchen Pumpunterstützung profitieren. Dieses Forschungsverbundprojekt mit der Firma Novapump und dem Fraunhofer Institut ist Teil unseres translationalen Forschungsschwerpunktes zur Verbesserung der Behandlung von Patienten mit einer Herzschwäche am Universitätsklinikum Jena.“