Jena (UKJ/vdG) Als einen „Meilenstein im Kampf gegen Krebs“ bezeichnete das Nobelkomitee am schwedischen Karolinska-Institut die Entdeckung von James P. Allison und Tasuku Honjo, als es vor sechs Wochen die Vergabe des diesjährigen Nobelpreises für Physiologie und Medizin die beiden Molekularbiologen bekanntgab. Beide Forscher machten in den 90er Jahren entscheidende Entdeckungen, wie das eigene Immunsystem genutzt werden kann, um bösartige Krebszellen zu bekämpfen. Dieses vollkommen neue Prinzip der Krebstherapie, das die Mediziner des Universitätsklinikum Jena bereits erfolgreich anwenden, steht im Mittelpunkt einer öffentlichen Vortragsveranstaltung am 10. Dezember im Klinikum in Lobeda.
Checkpoint-Inhibitoren lösen die Bremsen des Immunsystems
„Zunächst standen Tumortherapien überhaupt nicht im Fokus“, so der Immunologieprofessor Thomas Kamradt, „sondern die Frage nach grundlegenden Mechanismen der Aktivierung und Steuerung von T-Lymphozyten.“ Diese Gruppe von weißen Blutzellen gehört zum großen Zellensemble des Immunsystems, sie können fremdartige oder veränderte Strukturen auf der Oberfläche von Körperzellen erkennen und eine Immunantwort auslösen. Ein mehrfaches Sicherungssystem sorgt dafür, dass die Immunreaktion gedrosselt werden kann und körpereigene Zellen verschont. Zum Teil nutzen Tumorzellen das System gezielt, um sich vor einem Immunangriff zu schützen. James Allison in Texas und Tasuku Honjo in Kyoto konnten zwei dieser Checkpoint-Proteine, die wie Bremsen für die Immunzellen wirken, entschlüsseln. „In Versuchen mit Mäusen gelang es ihnen, durch Antikörper gegen diese Proteine, sogenannten Checkpoint-Inhibitoren, das Immunsystem quasi ungehemmt auf Tumorzellen loszulassen und das Tumorwachstum deutlich zu bremsen“, beschreibt Thomas Kamradt ihre bahnbrechenden Experimente.
Danach wurden Checkpoint-Inhibitoren auch in klinischen Studien mit Patienten getestet, zuerst mit Krebspatienten, für die alle herkömmlichen Therapiemöglichkeiten ausgeschöpft waren. Inzwischen sind eine ganze Reihe dieser Immuntherapeutika zugelassen, die Onkologen des Universitätsklinikums Jena setzten diese erfolgreich ein. „Etwa jeden fünften Patienten mit fortgeschrittenem schwarzen Hautkrebs können wir dauerhaft heilen, auch Patienten mit Nierenzellkarzinom oder Lungenkrebs profitieren enorm“, zählt der Direktor des Jenaer Universitätstumorzentrums, Professor Andreas Hochhaus, die Erfolge auf.
CAR-T-Zellen als neue Immuntherapie
Neu ist die Idee nicht, das Immunsystem im Kampf gegen Krebszellen zu unterstützen – schließlich führt es diesen Kampf gegen die meisten veränderten Zellen siegreich, noch bevor diese zu Tumoren wachsen können. Immunstimulierende Spülungen mit abgeschwächten Tuberkulose-Erregern dienen zum Bespiel der Vorbeugung von Rückfällen bei Blasenkrebs, eine auf über hundert Jahre alte Beobachtungen beruhende und inzwischen mit Studien abgesicherte Therapie. Neue Erkenntnisse zur Immunregulation und zu den Schutzstrategien der Tumorzellen vergrößern nun das Arsenal der Krebsmediziner um komplett neue Waffengattungen. Neben den Checkpoint-Inhibitoren ist eine solche die CAR-T-Zelltherapie.
Ähnlich wie Bakterien resistent gegen Antibiotika werden können, überleben den Immunangriff vor allem jene Tumorzellen, die für die körpereigene Abwehr nicht erkennbar sind. Diese können sich dann massiv vermehren. Die CAR-T-Zelltherapie macht diese Tumorzellen wieder sichtbar, indem sie die Immunzellen des Patienten aufrüstet. Andreas Hochhaus: „Die Immunzellen werden isoliert und genetisch so verändert, dass sie besondere Antennen für die Krebszellen des Patienten tragen, die chimären Antigen-Rezeptoren, kurz CAR. Die so entstandenen ganz individualisierten Abwehrzellen werden den Erkrankten per Infusion zurückgegeben, vermehren sich im Körper und bekämpfen erfolgreich den Krebs.“