Jena (UKJ/as). Mehr als 300 Menschen nehmen sich jedes Jahr in Thüringen das Leben. „Die Zahl der Suizidversuche liegt noch um ein Vielfaches höher, wird jedoch nicht systematisch erfasst“, so Prof. Karl-Jürgen Bär, kommissarischer Leiter der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Jena. Er leitet zusammen mit Dr. Gerd Wagner das neue Projekt „Netzwerk zur Suizidprävention in Thüringen (NeST)“, für welches das Bundesministerium für Gesundheit eine Förderung über fast 540 000 Euro bis Ende September 2020 bewilligt hat. Projektpartner sind die psychiatrischen Fachabteilungen am Asklepios Fachklinikum Stadtroda mit Dr. Udo Polzer und an den Thüringen-Kliniken „Georgius Agricola“ mit Dr. Thomas Sobanski.
„Als ersten wichtigen Schritt werden die beteiligten Kliniken alle Suizidversuche systematisch erfassen“, so Prof. Bär. Durch eine engere Vernetzung aller, die Suizidgefährdete in Thüringen betreuen und behandeln, sollen niedrigschwellige psychiatrische Angebote für Betroffene und Angehörige entstehen. Analysen zeigen, dass 90 Prozent der Betroffenen zum Zeitpunkt des Suizids an einer psychiatrischen Erkrankung litten.
Für Menschen nach einem Suizidversuch soll ein spezifisches Psychotherapieprogramm entwickelt und evaluiert werden. Ein weiterer Fokus liegt auf Maßnahmen zur Suizidprävention im Alter, da das Suizidrisiko mit dem Alter deutlich ansteigt. Ein anderer Schwerpunkt wird die Suizidprävention bei Menschen mit erhöhtem Risiko wie zum Beispiel bei Bisexuellen, Transgender oder Intersexuellen sein. Hier will das Netzwerk durch Kampagnen und Qualifizierungsprogramme zur Entstigmatisierung beitragen. In Jena soll eine zentrale Anlaufstelle geschaffen werden, die besonders auf die geschlechtsspezifischen Aspekte des suizidalen Verhaltens eingehen kann.