Jena (UKJ/vdG). Um ihre Funktion im Körper zu erfüllen, müssen sich manche Zellen von einem Ort zum anderen bewegen, zum Beispiel um bei einer Immunreaktion mitzuwirken oder bei der Neubildung von Blutgefäßen nach einer Verletzung. Sie werden von Botenstoffen, den Chemokinen, an ihren Einsatzort gelockt. Das Zusammenspiel dieser kleinen Signalproteine mit hochspezifischen Rezeptoren in den Zellmembranen wirkt wie ein Navigationssystem für die Zellwanderung.
Die Arbeitsgruppe von Professor Ralf Stumm am Institut für Pharmakologie und Toxikologie des Universitätsklinikums Jena erforscht die Wanderung hemmender Nervenzellen in der Großhirnrinde. Dieser Prozess ist ein wichtiger Bestandteil der vorgeburtlichen Hirnreifung. Als Wegweiser für die Interneuronen fungiert dabei das Chemokin CXCL12, das vom Rezeptor CXCR4 erkannt und in ein Signal für die Zellbewegung übersetzt wird. Dieser Rezeptor gehört zur großen Gruppe der G-Protein-gekoppelten Rezeptoren, die ihre Signale über die namensgebenden G-Proteine in die Zelle weitergeben. Die mehr als 800 Mitglieder zählende Rezeptorfamilie spielt eine zentrale Rolle bei der Zellkommunikation und der Verarbeitung von Schmerz– und Sinnesreizen. Etwa 30 Prozent aller Medikamente, zum Beispiel Opioide, Betablocker oder Neuroleptika, zielen auf diese Rezeptoren, die deshalb im besonderen Fokus der Arzneimittelforschung liegen.
Rezeptorenpaar steuert Zellwanderung
„Das Besondere an der Wanderung der Interneuronen ist, dass für die richtige Funktion ihres Navigationssystems ein zweiter Rezeptor notwendig ist“, erklärt Ralf Stumm. Dieser mit ACKR3 bezeichnete Rezeptor gehört wegen seiner chemischen Struktur zwar mit zur Großfamilie, kann aber keine G-Proteine aktivieren und ist deshalb atypisch. Er transportiert das Chemokin ins Zellinnere und räumt quasi hinter dem Interneuron auf. Damit sorgt er für den Unterschied in der Konzentration des Chemokins, der die Richtung der Zellwanderung bestimmt. Ralf Stumm: „Aus Zellkulturversuchen weiß man, dass die Ankopplung von Phosphatgruppen an G-Protein-gekoppelte Rezeptoren für deren Regulation wichtig ist. Ob dies auch auf die neu entdeckten atypischen Rezeptoren wie ACKR3 zutrifft, war bislang unbekannt. Es wird vermutet, dass das Adapterprotein Beta-Arrestin sich an diese Gruppen heftet und so die Aufnahme des Rezeptormoleküls ins Zellinnere ermöglicht. Zudem soll es unabhängig vom G-Protein Signale ins Zellinnere leiten“. Für den atypischen Rezeptor müsste Beta-Arrestin also entscheidend sein. Aber auch für die G-Protein-gekoppelten Rezeptoren gilt Beta-Arrestin vielen Wissenschaftlern neben dem G-Protein als wichtigster Signalpartner.