Jena (UKJ/km). In einem großen Bogen fügt sich das helle zweistöckige Gebäude in die Landschaft unterhalb der Jenaer Lobdeburg ein. Durch die großen Fensterscheiben fällt der Blick ins Grüne. Draußen auf den Wiesen tummeln sich Spaziergänger mit Hunden. Sonne durchflutet den großen Aufenthaltsraum mit der gemütlichen roten Couchgarnitur und die Patientenzimmer. Vom geschäftigen Klinikalltag, dem Stimmengewirr von Besuchern und eifrigen Medizinstudenten auf dem Weg zum Hörsaal ist hier, auf der Station „Mildred Scheel“, kaum etwas zu hören. Eine ruhige Atmosphäre bestimmt den Alltag auf der nach der an Krebs gestorbenen Ehefrau des früheren Bundespräsidenten Walter Scheel benannten Palliativstation des Universitätsklinikums Jena, die gerade zehn Jahre alt geworden ist. Am 24. März 2009 wurde sie nach knapp zweijähriger Bauzeit feierlich eröffnet. Die Deutsche Krebshilfe übernahm 3,2 Millionen Euro der insgesamt knapp vier Millionen Euro Baukosten. Der erste Patient war am 5. Januar 2009 aufgenommen worden.
Seitdem werden auf der Zwölf-Betten-Station jährlich rund 380 schwerkranke Menschen versorgt, bei denen keine Aussicht auf Heilung besteht. Manche kommen wiederholt zur Behandlung. „Unser Ziel ist es, die Patienten in die Lage zu versetzen, wieder nach Hause zu ihrer Familie oder in ihr Pflegeheim zurückkehren zu können“, sagt Privatdozent Dr. Ulrich Wedding, einer der beiden Chefärzte der Abteilung für Palliativmedizin, die zur Klinik für Innere Medizin II gehört. Das bedeutet, ihren Krankheitszustand zu stabilisieren, Symptome wie Schmerzen, Luftnot oder Schwäche zu lindern und sie sowie ihre Angehörigen auch psychisch aufzufangen. Obwohl sich in Thüringen die Situation in der palliativmedizinischen Versorgung verbessert hat und nicht nur in Jena schwerkranke Menschen inzwischen auch in ihren eigenen vier Wänden ambulant versorgt werden können, ist der Bedarf an einer solchen stationären Behandlung groß. Oft gibt es Wartelisten.
„Palliativversorgung ist nicht nur eine rein medizinische Angelegenheit“, beschreibt Co-Chefarzt Prof. Winfried Meißner die täglichen Anforderungen. Auch die soziale Seite von schweren Erkrankungen sind eine Herausforderung für das Stationsteam. Entlassene Patienten benötigen meist weiterhin eine ambulante palliativmedizinische Betreuung durch ein spezialisiertes Team des UKJ. Hilfsmittel wie Rollstühle oder Pflegebetten sind für die Betreuung zu Hause nötig – mitunter muss dafür erst die Wohnung umgebaut werden. Sind junge Menschen aussichtslos erkrankt, stellt sich die Frage, wer sich um deren minderjährige Kinder kümmert. Manchmal haben Angehörige von Schwerkranken auch mit finanziellen Problemen zu kämpfen. „Es gibt nichts, was es nicht gibt“, so Meißner. Deshalb gehören zum Team nicht nur Ärzte, spezialisierte Gesundheits- und Krankenpfleger, Ergo- und Physiotherapeuten und eine Psychotherapeutin, sondern auch Sozialarbeiter.
Und auch während ihres Klinikaufenthalts müssen Patienten nicht auf ihre Angehörigen verzichten. Ehe- und Lebenspartner oder Eltern können auf der Station übernachten. „Aus medizinischen Gründen ist das sehr sinnvoll“, ist Wedding überzeugt. Nicht ungewöhnlich sei es allerdings heutzutage auch, dass Patienten getrennt von ihren Angehörigen leben oder keinerlei Angehörige mehr haben, die sich um sie kümmern könnten. „Deshalb arbeiten wir mit dem ehrenamtlichen Hospizdienst zusammen, der Besuche am Krankenbett dieser Patienten organisiert“, ergänzt Meißner.
Dass die Jenaer Palliativstation mit zwölf Betten recht klein und in der Pflege mit 13 Vollzeit-Beschäftigten gut besetzt ist, sei der vielleicht wichtigste Vorzug, findet Wedding. „Unheilbar Kranke brauchen eine individuelle Betreuung mit viel Zuwendung und eine sozusagen familiäre Betreuungsstruktur. Das ist wichtig für das Wohlbefinden auch in der letzten Lebensphase.“
Auch wenn Ärzte und Pflegekräfte dafür geschult werden, mit Sterben und Tod umzugehen, so ist die Arbeit auf einer Palliativstation doch auch für sie psychisch eine Herausforderung. „Wenn eine 35 Jahre junge Mutter stirbt, lässt das niemanden kalt“, sagt Meißner. Umso wichtiger sei es, dass das Stationspersonal regelmäßig Gelegenheit bekomme, sich über die Arbeit und die damit verbundenen Belastungen auszusprechen, beispielsweise im Rahmen der regelmäßigen Supervisionen. Nicht nur die täglichen Teambesprechungen und regelmäßige Beratungen mit externen Fachleuten, auch Abschiedsrituale für gestorbene Patienten und Gedenknachmittag in der Klinik-Kapelle sollen dabei helfen, mit Trauer und Verlust umzugehen.
Kontakt:
Universitätsklinikum Jena
Klinik für Innere Medizin II
Abteilung Palliativmedizin
Am Klinikum 1 | 07747 Jena
Tel. 03641-9327501
Hotline Palliativabteilung: 03641-9327528
Palliativmedizin im Klinikmagazin
Die neue Ausgabe des Klinikmagazins am Universitätsklinikum Jena („Leben bis zum Ende“) ist erschienen. Im Fokus steht dieses Mal die Abteilung Palliativmedizin, deren Mitarbeiter es ermöglichen, unheilbar kranken Menschen in dieser schwierigen Phase Lebensqualität zu geben.
Seit mehr als 20 Jahren erscheint das Klinikmagazin des Universitätsklinikums Jena. Es erscheint vierteljährlich und stellt aktuelle Themen aus Medizin und Pflege vor, nennt Ansprechpartner am UKJ und blickt auch hinter die Kulissen von Thüringens größter Klinik.
Die Online-Version des Magazins (Ausgabe 02/2019) ist hier zu finden: