Jena (UKJ/kbo). Am kommenden Mittwoch, 22. Mai, wird’s wieder sportlich in Jena: Beim Firmenlauf drehen ab 19 Uhr etwa 3.500 Läufer ihre 5-Kilometer-Runde um die Sparkassen-Arena – und mit dabei sind 180 Mitarbeiter des Universitätsklinikums Jena (UKJ). Teamgeist zeigen nicht nur die UKJ-Läufer, sondern auch die fleißigen Helfer am Streckenrand. Sie werden am UKJ-Wasserstand am Wehr für kühle Erfrischung sorgen. Und wenn der sportliche Teil des Abends geschafft ist, darf gerne gefeiert werden: Ab circa 20.30 Uhr treten in der Sparkassen-Arena die „Sandmen United & Septic Shockers“ auf, eine Cover-Rock-Band mit Ärzten des Klinikums. Einer von ihnen ist Oberarzt Dr. Hendrik Rüddel, Anästhesist und Intensivmediziner am UKJ.
20.05.2019
Sport, Teamgeist und Cover-Rock
UKJ mit 180 Läufern beim Firmenlauf am Start / Auch musikalisch ist das UKJ dabei
Sandmann im OP und auf der Bühne: Hendrik Rüddel
Grelle Bühnenlichter blitzen, das Schlagzeug wummert, erste Gitarrenakkorde erklingen. Hendrik Rüddel lächelt, greift zum Mikro. Nicht nur beim Sänger der „Sandmen United & Septic Shockers“ steigt der Puls. Das Publikum ist ebenfalls in ekstatischer Vorfreude auf das Konzert, schreit, jubelt, tanzt.
Arzt im Hintergrund
Im Operationssaal und auf der Intensivstation ist das „Publikum“ sehr viel ruhiger. Dr. Rüddel ist Oberarzt an der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin (KAI) am UKJ. Seit 2007 arbeitet der gebürtige Rheinländer in Jena, hat als Anästhesist unzählige Patienten in künstlichen Schlaf versetzt und durch die Operation gebracht. Seit 2010 ist die Intensivstation seine medizinische Heimat. Seine Arbeit ist aber nie Selbstzweck. „Patienten kommen nun mal nicht wegen der Anästhesie ans UKJ“, weiß er. In der Regel haben sie auch gar keine Wahl, besonders nicht, wenn es um die Intensivstation geht. Zwar sind Narkose und Intensivbehandlung aus medizinischer Sicht bedeutend. Für die Patienten selbst treten sie aber in den Hintergrund.
Pure Freude auf der Bühne
Vielleicht gefällt es ihm deshalb so gut, auf der Bühne zu stehen, präsent zu sein. „Vor allem aber macht es Spaß!“, sagt Rüddel. Klar, ein gewisser Ehrgeiz steckt auch dahinter. Immerhin gibt die 2009 formierte Band mit dem ikonischen Namen „Sandmen United & Septic Shockers“ eine Handvoll Konzerte im Jahr. Die acht Hobbymusiker – aktive und ehemalige Mitarbeiter der KAI, Rettungssanitäter und Ingenieure – spielen, wie sie es augenzwinkernd nennen, ärztlich verordneten Cover-Rock. Einmal die Woche proben sie in einem kleinen Raum in der Bachstraße: volle Power auf wenigen Quadratmetern. Das Repertoire aus über 30 Songs, von „Gänselieschen“ über „Jerk it out“ zu „Let me entertain you“ beherrschen sie aus dem Effeff. Und trotzdem freuen sich die Jungs diebisch über jedes gelungene Schlagzeug-Solo, den Hammer-Bass oder die tolle Harmonie.
Auf der Bühne ist ihre pure Freude geradezu ansteckend. Da ist es auch nicht schlimm, wenn Rüddel mal seinen Einsatz verpasst. Das lächelt der Sänger sympathisch weg und gibt beim nächsten Song umso mehr Gas und Gefühl: „Boys of summer“ wird zur Liebeserklärung an seine Frau. Mal reckt er, ganz „Rampensau“, triumphierend das Mikro in die Höhe. Mal übergibt er beim Refrain von „I Love Rock'n'Roll“ ans Publikum, das die Einladung zu gern annimmt. Und auch der – für Intensivmediziner typisch morbide – Humor kommt beim Konzert nicht zu kurz. Da wird Tim Bendzkos Lied eben umgedichtet. Und so wollen die Jungs zwar nicht gleich die Welt retten, aber zumindest den Patienten. Sonst wartet schon die Intensivstation…
Viel Technik, viele Menschen
Auf die Intensivstation, kurz ITS, kommen Patienten mit schwersten Erkrankungen, nach schwierigen Eingriffen, Unfallopfer mit Polytrauma. Bei den meisten übernehmen Geräte die Funktion eines oder mehrerer Organe. Da liegt ein drogenabhängiger Mann mit massiven inneren Blutungen; eine junge Mutter, die auf ein neues Organ wartet; ein älterer Herr, dessen Nieren versagen. Überall hängen Schläuche. Stapelweise Spritzenpumpen verabreichen automatisiert Medikamente. Viel Technik. Aber auch viele Menschen: Ärzte, Pflegende, Angehörige – und mittendrin: Rüddel. Hier zeigt er seine andere Seite. Auf der Bühne, klar, da muss man extrovertiert sein. Auf der ITS hingegen, da ist Rüddel ganz Teamplayer.
Zustände überbrücken
„Es geht auf der ITS im Grunde darum, kritische Zustände zu überbrücken“, erklärt er. Akute Probleme in den Griff kriegen, ausgefallene Organfunktionen ersetzen – und schließlich eine stabilere Verfassung erreichen. Ziel für den Patienten ist es immer, die ITS wieder verlassen zu können. „Am besten natürlich lebend.“ Das ist nicht immer möglich und damit muss man umgehen können. „Der Job fordert eine gewisse körperliche und seelische Robustheit“, weiß der 40-Jährige. Nicht nur die Fluktuation der Patienten ist hoch, auf die sich Rüddel immer neu einstellen muss. Auch die Zustände der Patienten ändern sich ständig und rasant. Von einer Minute auf die nächste geht es ums Ganze, kollabiert die Lunge, muss reanimiert werden. Binnen weniger Stunden kann sich ein lebensbedrohlicher Infekt entwickeln. Dann muss Rüddel adäquat reagieren. Regelmäßige Besprechungen sind für den Intensivmediziner ganz wesentlich, auch mit Ärzten anderer Fachdisziplinen und mit den Pflegenden. Schließlich braucht er ein umfassendes Bild, um gemeinsam im Team – überlebenswichtige – Entscheidungen treffen zu können. Und manchmal kommt ein Punkt, an dem es nicht mehr weitergeht: „Dann können wir nur noch den letzten Weg begleiten.“
Wahrscheinlich muss man dafür gemacht sein. „Ich bin es“, ist sich Rüddel sicher. Für ihn, den Intensivmediziner mit Leib und Seele, ist es ein sehr erfüllender, und im wahrsten Sinne des Wortes intensiver Job. Intensiv zu Ende geht auch das Konzert: „Gute Nacht Freunde“, wünscht der Sänger Rüddel seinem Publikum nach 2,5 Stunden. Ein nahezu poetisches Ende für einen Sandmann – im OP und auf der Bühne.
Veranstaltungshinweis:
Jenaer Firmenlauf am Mittwoch, 22. Mai 2019
19 Uhr: Startschuss in der Sparkassen-Arena
20.30 Uhr: Sandmen United & Septic Shockers auf der Bühne