Jena (UKJ/as). Kaum hat Dominik Gehringer sein Fahrrad an der Klinik für Psychiatrie abgestellt, kommt der erste Patient auf ihn zu. Dieser freut sich sichtlich über den Besuch des jungen Klinikseelsorgers. „Das Vertrauern, das Patienten mir entgegenbringen, ist wirklich ein Geschenk“, sagt Gehringer, der seit Juli als Katholischer Seelsorger am Universitätsklinikum Jena (UKJ) tätig ist, um die Genesungszeit des erkrankten Pfarrers Michael Ipolt zu überbrücken. Wenn Patienten körperlich fit genug sind – wie in der Psychiatrie – führt er seine Gespräche am liebsten im Freien. Weil er sich in der Natur Gott oft nahe fühle. Und – ganz pragmatisch – weil dann kein Mundschutz notwendig sei, der ein Gespräch manchmal erschwert, wenn man nicht in der Mimik des anderen lesen kann.
Dominik Gehringer stammt aus dem Südschwarzwald. Nach einer Schreinerlehre absolviert er ein Jahr im Freiwilligendienst der Jesuiten. In Mainz studiert er praktische Theologie, arbeitet anschließend in Freiburg und Würzburg – unter anderem als Ehe- und Familienseelsorger. In Schweinfurt leitet er als Hochschulseelsorger die dortige Katholische Studentengemeinde. Nach Thüringen führt ihn der Weg, als seine Frau vor vier Jahren als Ärztin am UKJ beginnt. Gehringer tritt eine Stelle als Gemeindereferent in Erfurt an. Zusammen mit ihrer kleinen Tochter leben er und seine Frau mittlerweile in Naumburg.
Einen Namen, die Station und das Geburtsjahr – mehr kennt Dominik Gehringer nicht, wenn er erstmals vor der Tür eines Patienten steht. Wer ihm begegnet, erfährt er erst im Gespräch. Themen zu finden, falle ihm nicht schwer. Doch nicht immer ist gleich klar, was der andere braucht. Viele Patienten seien sehr alt und ans Bett gebunden, so der Seelsorger. Manchen hilft, wenn er ihnen ein Getränk reicht oder einen Brief einwirft. Gehringer begegnet den Menschen mit der Haltung, dass „Gott auch dort da ist, wo er nicht zur Sprache kommt“. Mit manchen spricht er auch ein Gebet, singt ein Lied. Und manchmal geht es darum, das Leid und die Sorge gemeinsam auszuhalten. „Das kann sehr herausfordernd sein, wenn es um Themen geht, die wirklich an die Nieren gehen“, so Gehringer.
An zwei Tagen in der Woche ist Dominik Gehringer am Standort Lobeda unterwegs, in dessen „Labyrinth“ er sich immer besser zurechtfindet. Ein Tag der Woche ist für die Klinik für Psychiatrie reserviert. Gerade dort beeindrucken ihn die Menschen besonders mit den Geschichten und Themen, die sie mitbringen. Seinen Vorteil sieht er darin, dass er nichts von den Patienten wolle. „Ich komme mit absoluter Vorbehaltlosigkeit, ohne Erwartungen – dafür mit Ruhe und Zeit“, so der Seelsorger. Letzteres würde an vielen Stellen oft zu kurz kommen.
Gerade zu Corona-Zeiten, in denen Patienten noch weniger Besuch als sonst bekommen, sei er oft der einzige Kontakt. „Patienten, denen es sehr schlecht geht, sind oft wirklich dankbar für den Besuch.“ Einige wünschen sich, dass er stellvertretend für sie in der Kapelle des Klinikums eine Kerze anzündet. Manchmal schließt sich auch gleich der Zimmernachbar diesem Wunsch an. „Es ist eine Idee, die vielen guttut“, stellt Gehringer fest. Wie er selbst dazu stehe, sei irrelevant. „Den Leuten gibt es etwas.“ Darum geht es bei seiner Arbeit. Um das Wohl der Patienten.