Jena (ukj/ac). 20 Jahre lang ist Andrea Lange als Krankenschwester im Dreischichtsystem auf Station tätig. Dann muss sie feststellen, dass es nicht so weitergehen kann wie bisher. Die Belastungen in der stationären Pflege sind zu hoch – körperlich wie psychisch. „Ich habe es einfach nicht mehr geschafft, obwohl mein Beruf meine Berufung war“, so Lange. Mehr als ein Jahr ist Andrea Lange krankgeschrieben. In dieser Zeit erhält sie Post von Myriam Dorsch. Die Koordinatorin des Betrieblichen Eingliederungsmanagements am Universitätsklinikum Jena (UKJ), kurz BEM, hilft Mitarbeitern des Klinikums dabei, nach längerer Krankheit wieder gesund an den Arbeitsplatz zurück zu kehren – und dort gesund zu bleiben. Das UKJ ist als Arbeitgeber dazu verpflichtet, seinen Mitarbeitern ein BEM anzubieten. Auf Initiative des Personalrats wurde es am Klinikum etabliert. Seit 2010 koordiniert Myriam Dorsch die Aufgabe.
Wie Andrea Lange bietet sie allen Mitarbeitern, die länger als sechs Wochen am Stück bzw. 42 Tage innerhalb eines Kalenderjahres arbeitsunfähig waren, ihre Unterstützung an. „Ich möchte mit den betroffenen Personen gemeinsam nach einer Lösung suchen, mit der sie nicht nach kurzer Zeit wieder arbeitsunfähig werden“, sagt Dorsch. Jährlich schreibt sie etwa 800 Mitarbeiter an und erklärt die Aufgaben des BEM. Das Verfahren ist freiwillig. Der Mitarbeiter kann es ablehnen oder jederzeit abbrechen. Viele nehmen ihre Unterstützung jedoch dankbar an. „Einige reagieren aber auch skeptisch auf mein Anschreiben oder fühlen sich regelrecht angegriffen“, so Dorsch. „Dabei möchte ich nichts Böses, sondern einfach nur vermitteln.“
Stimmt ein Mitarbeiter dem BEM zu, stellt Myriam Dorsch ein individuelles Team zusammen, das beim Wiedereinstieg unterstützt. Im Kern gehören diesem neben der Koordinatorin auch ein Vertreter von Personalrat, dem Geschäftsbereich Personalmanagement und dem Arbeitsmedizinischen Dienst an. Ergänzt wird es bei Bedarf um die Schwerbehindertenvertretung, Mitarbeiter der Arbeitssicherheit oder Vorgesetzte. „Wir begleiten die Mitarbeiter auf ihrem Weg zurück und betrachten ihre Situation ganz individuell und diskret“, versichert Dorsch.
Gesundheits- und Krankenpfleger wie Andrea Lange gehören zu den besonders häufig betroffenen Berufsgruppen, genauso wie Kraftfahrer, das Personal in der Küche, der Zentralsterilisation oder aus anderen Bereichen mit körperlich schwerer oder psychisch belastender Arbeit. „Wer davon ausgeht, dass vor allem Mitarbeiter jenseits der 50 betroffen sind, liegt falsch“, klärt Dorsch auf. „Die Betroffenen werden immer jünger.“ Außerdem auffällig: Psychische Erkrankungen nehmen in den letzten Jahren zu, genauso wie onkologische und Atemwegskrankheiten. Aber welche Möglichkeiten bietet Dorsch den Langzeitkranken? „Die Lösungen sind so vielfältig und individuell wie die Mitarbeiter und ihre Probleme selbst“, sagt sie. Oft hilft es bereits, die technische Ausstattung des Arbeitsplatzes anzupassen, um die Gesundheit zu schützen. Auch veränderte Arbeitsabläufe sowie vorübergehend oder dauerhaft verkürze Arbeitszeiten können hilfreich sein. Manchmal kann die Lösung aber auch darin liegen, die Tätigkeit an einen anderen Arbeitsort zu verlagern oder eine ganz neue Aufgabe wahrzunehmen. „Menschen sind Gewohnheitstiere. Für Veränderungen muss man aber offen sein – und vor allem kompromissbereit. Das ist nicht jeder“, weiß die BEM-Koordinatorin aus Erfahrung.
Andrea Lange ist es – und findet dank Myriam Dorsch eine neue Tätigkeit am UKJ. Seit ihrer Umschulung zur Kauffrau für Bürokommunikation ist sie im Rechnungswesen tätig. „Ohne Frau Dorsch hätte ich nie gedacht, dass mir Buchhaltung liegt. Ich bin so dankbar, diese Chance bekommen zu haben“, so Lange. Ähnlich ergeht es auch Ute Günther. Nach fast 19 Jahren im Chefsekretariat einer Klinik fühlte sie sich dort nicht mehr wohl – bis auch ihre Gesundheit nicht mehr mitspielt. Myriam Dorsch hilft ihr zu einer neuen Anstellung im Sekretariat einer anderen Klinik. „Ich habe lange überlegt, ob ich meinen Arbeitsplatz noch kurz vor meinem Ruhestand wechseln soll, weil ich die Arbeit im Chefsekretariat eigentlich sehr gerne gemacht habe. Jetzt weiß ich, ich hätte es schon viel früher tun sollen“, ist sich Ute Günther sicher. „Denn besser hätte ich es nicht treffen können.“
Kontakt
Myriam Dorsch
Koordinatorin des Betrieblichen Eingliederungsmanagements am UKJ
Tel.: 03641 9-320617
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