Unter der Leitung von Wissenschaftlern aus Jena, Tübingen und München konnte ein internationales Forscherteam Veränderungen im HPDL-Gen als Ursache für eine fortschreitende spastische Bewegungsstörung identifizieren. Bei 17 von der seltenen Krankheit Betroffenen reichten die Beeinträchtigungen von Auffälligkeiten des Gehirns von Geburt an, bis zu Bewegungsstörungen der Beine, die erst im Jugendalter einsetzten. In ihrer jetzt im American Journal of Human Genetics erschienenen Arbeit zeigen die Autoren, dass der Mangel an HPDL-Protein den Stoffwechsel der Mitochondrien beeinträchtigt.
Jena (vdG/UKJ). Als Spastik werden Bewegungsstörungen und Lähmungen bezeichnet, die von einer krankhaft erhöhten Muskelspannung aufgrund einer Schädigung des Nervensystems verursacht werden. Sie können, in verschieden schwerer Ausprägung, das Hauptmerkmal für neurologische Erkrankungen im Kindes-, Jugend- und Erwachsenenalter sein, die teilweise auf angeborene Stoffwechselstörungen zurückzuführen sind. Trotz der diagnostischen Möglichkeiten, die die vollständige Sequenzierung des gesamten Genoms eröffnet, sind die molekularen Mechanismen vieler seltener Erkrankungen noch nicht aufgeklärt. Deren Kenntnis ist jedoch notwendig für eine fundierte Entscheidungsfindung und Beratung der Betroffenen und ihrer Familien, vor allem aber für die Suche nach neuen therapeutischen Ansätzen.
Einem internationalen Wissenschaftlerteam ist es jetzt gelungen, die genetische Ursache für eine solche spastische Bewegungsstörung aufzuklären. „Uns waren bei Kindern zweier Familien ähnliche, ungewöhnliche neurologische Beschwerden aufgefallen, die letztlich mit einer Lähmung der Beine einhergingen. Erst eine genetische Untersuchung ergab Hinweise auf eine mögliche gemeinsame Krankheitsursache“, so Dr. Ralf Husain, Kinderneurologe am Zentrum für Seltene Erkrankungen des Universitätsklinikums Jena.
Bei der Suche kam der diagnostischen Exomsequenzierung, bei der sämtliche Protein-kodierende DNA-Sequenzen des menschlichen Genoms untersucht werden, eine besondere Bedeutung zu. „Diese Sequenzierung erlaubt nicht nur eine umfassende und effiziente Bewertung bekannter Krankheitsgene in der Routinediagnostik, sondern bei solchen ungelösten Fällen auch die Identifizierung weiterer möglicherweise krankheitsauslösender DNA-Varianten“, erläutert der Humangenetiker Dr. Tobias Haack vom Zentrum für Seltene Erkrankungen am Universitätsklinikum Tübingen. Bei allen Patienten zeigte sich dabei eine Veränderung am HPDL-Gen, das bislang nicht als krankheitsverursachend beschrieben war.