Jena (UKJ/kbo). Vor etwa einem Jahr beginnt Roland Rosenberger, sich deutlich weniger körperlich belastbar zu fühlen. Luftnot plagt ihn. Bei seiner Hausärztin zeigt sich in seinem Blutbild eine ausgeprägte Anämie, weshalb sie ihn an die niedergelassene Onkologin Dr. Sabine Hahnfeld überweist. Die Diagnose: myelodysplastisches Syndrom, kurz MDS, eine bösartige Erkrankung des Knochenmarks. Das MDS tritt vor allem bei älteren Patienten auf. Die Standardtherapie besteht aus einer sogenannten epigenetischen Therapie („Schaltertherapie“) mit dem Ziel, das Blutbild des Patienten zu verbessern und eine akute Leukämie zu verhindern. Roland Rosenberger erhält daher zunächst wöchentliche Bluttransfusionen. Das schlaucht den 73-jährigen Eisenberger. Seine niedergelassene Onkologin rät ihm daher, sich am Uniklinikum Jena (UKJ) am Zentrum für Hämatologische Neoplasien vorzustellen. Denn das erstmals von der Deutschen Krebsgesellschaft zertifizierte Zentrum bietet, was nur wenige können: frühe klinische Studien und damit ganz neue, individuelle Therapiemöglichkeiten.
Gesamtes Spektrum an Therapiemöglichkeiten
Am Zentrum für Hämatologische Neoplasien behandeln die Jenaer Onkologen und Hämatologen Patienten mit bösartigen Erkrankungen des blutbildenden Systems. Die bekannteste Erkrankung ist die Leukämie, aber auch viele weitere zählen hierzu, etwa Lymphome, multiple Myelome oder wie bei Roland Rosenberger das myelodysplastische Syndrom. Allein im Jahr 2019 wurden am Zentrum für Hämatologische Neoplasien über 300 Patienten mit neu diagnostizierten Krebserkrankungen des Blutes behandelt. „Also etwa jeden Tag ein neuer Patient mit einer individuell abgestimmten und leitlinienbasierten Therapie“, wie es der Koordinator des Zentrums und leitende Oberarzt Professor Sebastian Scholl ausdrückt. Die Jenaer Experten setzen auf das gesamte Spektrum an Behandlungsmöglichkeiten: Chemotherapien, zielgerichtete Antikörpertherapien sowie zelluläre Therapien einschließlich der bereits seit 2019 am Jenaer Zentrum etablierten CAR-T-Zell-Therapie.
Frühe klinische Studien als Chance
Roland Rosenberger erhält seit Anfang des Jahres im Rahmen einer frühen klinischen Studie eine neue Immuntherapie für MDS-Patienten am UKJ. Diese weltweite so genannte Phase I-Studie bietet neben dem Jenaer Uniklinikum in Deutschland nur eine weitere Klinik an, 15 Patienten haben die Jenaer Experten bislang in die Studie eingebracht. Dabei erhalten die Patienten ein Medikament, das das Immunsystem gegen die MDS-Zellen aktiviert und so das Wachstum der Ursprungszellen des MDS hemmt, ohne gesunde Stammzellen zu beeinflussen. Bisher sprechen die Patienten darauf gut an. Auch Roland Rosenberger sagt, die neue Therapie helfe ihm sehr gut und er benötigt seit über einem Monat keine Bluttransfusionen mehr. Seine weitere Behandlung geht er mit gesundem Optimismus an. Einmal die Woche muss er zur Kontrolle ans UKJ kommen, denn die Werte des 73-Jährigen müssen engmaschig kontrolliert werden. Das sei aber kein Vergleich zu den stundenlangen Bluttransfusionen, die er vorher auf sich genommen hat. „Solche klinischen Studien bieten auf der einen Seite eine zusätzliche Chance für unsere Patienten, auf der anderen Seite tragen sie dazu bei, neue Therapien schrittweise bis zur Zulassung zu bringen“, fasst es Professor Scholl zusammen.
Nur spezialisierte Zentren
Gleichwohl: „Diese frühen klinischen Studien können nur an erfahrenen Zentren durchgeführt werden“, betont Professor Andreas Hochhaus, Direktor der Klinik für Innere Medizin II am UKJ. Das trifft auf das UKJ als „Leiteinrichtung für onkologische Erkrankungen“ in Thüringen zu. Insgesamt nehmen am onkologischen Zentrum etwa 750 Patienten an klinischen Studien teil. Bei gut 70 dieser Studien handelt es sich um frühe klinische Studien. Erwachsene Patienten aller Altersgruppen werden hier eingeschlossen.